Neustadt an der Weinstraße (pts014/09.09.2016/12:00) – Die Genuss- und Weinmetropole Neustadt a.d.W. ist stolz auf ihre berühmten Söhne und Töchter. Der Atomphysiker Hans Geiger (1882-1945) ist einer davon, der Erfinder des Geigerzählers. Ebenso Prof. Walter Bruch (1908-1990), der Erfinder des PAL-Farbfernsehsystems. Die Liste setzt sich auch in der Gegenwart fort. Malu Dreyer, die amtierende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, ist hier geboren. Ebenso der TV-Star, Komiker und Schauspieler Bernhard Hoecker („Wer weiß denn sowas“). Und auch die deutsche Radsportlegende Gregor Braun, Weltmeister und zweifacher Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele 1976 in Montreal. Das Gespräch mit ihm schließt die kleine Interview-Reihe ab, mit in Neustadt a.d.W. geborenen Persönlichkeiten.
Herr Braun, Sie sind am 31. Dezember 1955 in Neustadt an der Weinstraße geboren. Können Sie sich noch erinnern, wann Sie dort das erste Mal auf ein Rad gestiegen sind?
Ja, das kann ich noch gut. Das muss so im Alter von etwa sechs Jahren gewesen sein. Das Rad war ein Geschenk meiner Eltern. Damals gab es noch nicht so viele Autos, da ist man noch mehr mit dem Rad gefahren. Zum eigentlichen Radsport bin ich dann 1970 gekommen. Da war ich 14 Jahre alt. Das lief damals über Kameraden von mir, die im Radsportverein waren. So habe ich dann eine Familientradition fortgesetzt. Mein Vater ist früher auch mal Radrennen gefahren.
Auf die Frage zu ihrem Verhältnis zum damaligen Dauerkonkurrenten Dietrich Thurau haben Sie scherzhaft gesagt: „Er ist Hesse, ich Pfälzer. Das passt einfach nicht zusammen.“ Was macht denn einen Pfälzer aus. Was ist bis heute an Ihnen pfälzisch geblieben, obwohl Sie seit einiger Zeit ja im Nordschwarzwald, in Altensteig und Bad Wildbad, leben und arbeiten?
(lacht) Also bei mir ist alles pfälzisch geblieben. Durch und durch. Neustadt an der Weinstraße fühle ich mich nach wie vor sehr verbunden. Ich komme immer wieder gerne in meine Geburtsstadt zurück. Zumal auch ein Teil meiner Familie hier noch lebt – meine Tochter und mein Enkelkind.
Ihr Spitzname war damals „Der Bär von der Weinstraße“. Wie bärenstark fühlen Sie sich heute noch?
Ich bin gerade mit einem Kunden 1600 Kilometer quer durch Polen und Deutschland gefahren. Klar, in meinem Alter muss man auch schon einmal Abstriche machen. Aber im Großen und Ganzen fühle ich mich nach wie vor fit.
„Das Leben soll Spaß machen“, haben Sie einmal in einem Interview gesagt. Was bereitet Ihnen derzeit den meisten Spaß?
Sagen wir es mal so: Spaß macht mir noch vieles im Leben. Auch die Arbeit. Ich habe ja auch heute noch viel mit dem Bike zu tun und mit Radfahrern. Am 2. Oktober haben wir beispielsweise eine große Charity-Veranstaltung mit Kindern für Star Care ,“Wir helfen Kindern“ . Und gerne nehme ich auch an Golfturnieren von KIO (Kinderorganspende) teil, die für einen guten Zweck ausgerichtet werden.
Vor 40 Jahren wurden Sie bei den Olympischen Spielen in Montreal zweifacher Olympiasieger, einmal in der Vierer-Mannschaftsverfolgung über 4000 Meter und über diese Distanz wurden Sie dann auch noch Sieger in der Einerverfolgung. Wenn Sie die Olympischen Spiele 2016 zum Vergleich nehmen, was hat sich in Ihrer Sportart in den letzten 40 Jahren verändert?
Da hat sich vieles geändert. Zum Beispiel sind einzelne Disziplinen weggefallen, insbesondere die Einerverfolgung. Dafür sind andere hinzu gekommen. Stark verändert haben sich in den letzten Jahren auch die Einstellung der Sportler, das Training, die Ernährung. Alles ist viel wissenschaftlicher geworden. Zum Vergleich: Wir hatten damals noch nicht einmal einen Pulsmesser bei unseren Trainingsfahrten. Aber insgesamt kann man sagen, dass der Radsport für die Zuschauer noch interessanter geworden ist.
In Ihrer Karriere haben Sie angeblich rund 600.000 Kilometer auf dem Rad verbracht. Umgerechnet heißt das: Sie sind per Rad schon 25 Mal um den gesamten Planeten gefahren. Wie viele weitere Erdumrundungen per Rad haben Sie im zarten Alter von 60 Jahren noch vor?
So gut wie keine mehr. Wenn ich mich berufsbedingt auf ein Fahrrad gesetzt habe, sprang immer ein Schalter bei mir um und dann lief eine Platte die mir sagte „du musst gewinnen, gewinnen, gewinnen“. Diese Platte möchte ich nicht mehr hören, nicht mehr diesen Druck verspüren. Das Ganze soll mir nur noch Spaß machen. Deshalb: das Radfahren ist bei mir jetzt, wie soll ich es sagen, zu einer Art Hassliebe geworden.
1976 wurden Sie in Deutschland zum Sportler des Jahres gekürt. Die Sportlerin des Jahres war damals Rosi Mittermaier. Haben Sie noch Kontakt zu ihr?
Wir haben uns vor ein paar Jahren anlässlich eines Jubiläums getroffen. Aber ansonsten habe ich relativ wenig Kontakt zu Sportlern aus der damaligen Zeit. Ab und zu trifft man sich mal auf Golfturnieren und ähnlichem. Durch Social Media tauscht man sich gelegentlich etwas häufiger aus. Aber regelmäßig sich treffen – eher nicht.
Was ist eigentlich aus dem berühmten Goldvierer, dem Kilian-Vierer geworden, dem Sie ja angehörten?
In diesem Jahr steht ja unser 40-jähriges Jubiläum an. Da wollen wir uns alle so etwa um Mitte September herum treffen. Dazu laufen gerade die Planungen an.
Zusammen mit Ihrem Kollegen Heinz Betz betreiben Sie im Schwarzwald eine Radsportakademie und einen Bike-Park für Downhill-Fahrer und Freerider. Sie kommen dabei ständig mit jungen Radsport-Fans zusammen. Wie steht es derzeit um den Nachwuchs und die Talente im deutschen Radsport? Wer hat das Zeug zu einem zweiten Gregor Braun?
Das kann ich so genau nicht beurteilen, dazu bin ich zu weit weg von der Nachwuchsszene. Aber wenn man sieht, welche Leistungen aktuell ein Tony Martin oder ein André Greipel bringen, dann kann man sagen, wir sind insgesamt auf einem sehr guten Weg. Wenn auch gerade so ein Talent wie es Jan Ullrich war, derzeit nicht in Sicht ist.
Im letzten Jahr, anlässlich Ihres 60. Geburtstages, haben Sie angeblich das Rad gegen feste Wanderschuhe getauscht. Sind über 200 Kilometer durch die Wüste Marokkos gelaufen. Das solle Ihr ganz persönlicher Jakobsweg werden, hatten Sie in einem Interview gesagt. Warum haben Sie sich das aufgebürdet? Brauchen Sie auch heute noch diese extremen körperlichen Herausforderungen?
(lacht) Also, das muss ich gleich einmal korrigieren. Das war so einer meiner vielen Ideen. Diese habe ich so nicht umgesetzt. Was stimmt ist, dass ich tatsächlich in der Wüste Marokkos war. Aber mit meiner Familie, auch mit meiner Tochter, meinen Enkeln. Allerdings sind wir nicht mit dem Rad in die Wüste gefahren, wir haben die auf dem Rücken von Kamelen erlebt. War ein tolles Erlebnis. Aber kein persönlicher Jakobsweg.
Was mögen Sie eigentlich lieber – den guten Wein aus Ihrer Heimat oder ein Bier?
Da kann ich nur sagen: Ich war nie Weintrinker, wenn, dann habe ich mir mal ein Bier genehmigt. Aber auch das mache ich schon seit mehreren Jahren nicht mehr. Aus gesundheitlichen Gründen. Ich habe zwar keine akuten gesundheitlichen Probleme. Aber man muss halt wissen, was man will. Deshalb: Ich trinke überhaupt keinen Alkohol, weder Wein noch Bier.
Die Pfälzer, zumal die aus Neustadt an der Weinstraße, gelten als Genussmenschen. Gut essen und trinken steht an erster Stelle. Gibt es noch Spezialitäten aus der Pfalz, die bei Ihnen ganz oben auf Ihrer persönlichen Speisenkarte stehen?
Ja klar, wann immer das möglich ist, ein Saumagen, einen Pfälzer Teller, das ist schon was. Dafür bin ich immer zu haben.
Was schneidet besser ab in Ihrem persönlichen Vergleich: Schwarzwald oder Pfälzerwald?
Klar der Pfälzerwald, die Steilhänge, die Landschaft, die Erlebnisse beim Radfahren und Wandern. Ist irgendwie dort alles gemütlicher. Und die Bewirtungen im Pfälzer Wald, die sind schon einmalig.
Maultaschen oder Saumagen?
Saumagen oder Maultauschen… da bevorzuge ich den Saumagen, wenngleich ich auch Maultaschen mag.
Neustadt an der Weinstraße oder Bad Wildbad?
Das ist immer schwer zu sagen. Wenn der Vergleich wäre zum Beispiel Neustadt a.d.W. gegenüber Marrakesch, dann würde ich zu 100 Prozent sagen: Neustadt a.d.W. Aber derzeit ist für mich so ein Vergleich zwischen Neustadt a.d.W. und Bad Wildbad schwierig. Ich kann mir aber vorstellen, wenn ich mal meine berufliche Zeit im Schwarzwald abgeschlossen habe, dass ich dann wieder nach Neustadt a.d.W. zurückkehre, das ist nicht ausgeschlossen.
Michael Phelbs und Simone Biles zählen neben Usain Bolt in diesem Jahr zu den weltweit herausragenden Persönlichkeiten im Sport. Wer gehört aus Ihrer Sicht noch auf diese Liste und warum?
Da kann ich nur sagen, jeder, der bei Olympia dabei ist, hat schon Großartiges geleistet. Musste sich lange Zeit intensiv darauf vorbereiten. Aus dem deutschen Team möchte ich noch die Ruderer erwähnen mit ihren fantastischen Ergebnissen. Und auch die Goldmedaille von Fabian Hambüchen zum Abschluss seiner Karriere, das war schon großartig.
Abschlussfrage: was sind die drei größten Ziele oder Wünsche des Gregor Braun für die nächsten zehn Jahre?
Das ist ganz einfach: Erstens und zweitens, dass meine Familie und ich gesund bleiben und drittens, dass ich meinen Standard so halten kann, wie ich ihn jetzt habe. Damit wäre ich dann schon voll und ganz zufrieden.
Herr Braun, wir danken Ihnen für dieses Interview!
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