Liquid Biopsy: Tumor-Diagnose aus einer Blutprobe

Wien/Graz (pts014/11.11.2016/09:30) – Biopsien liefern wichtige Informationen für die Therapie von Krebserkrankungen. Derzeit erfordern Gewebeuntersuchungen in den meisten Fällen einen kleinen chirurgischen Eingriff. Schon in naher Zukunft könnten wichtige Informationen für die Krebstherapie oder sogar die Krebsdiagnose selbst aus einer einfachen Blutprobe erfolgen. Denn dort schwimmen freie Tumorzellen und Bruchstücke der Erbinformation des Tumors. Im Rahmen der „Liquid Biopsy“ werden sie isoliert und bewertet.

Herkömmliche Biopsien könnten in naher Zukunft durch die Entnahme einer einfachen Blutprobe ergänzt und in speziellen Fällen sogar ersetzt werden. Die „Liquid Biopsy“ umgeht das Problem der Gewebeentnahme, indem sie mit Tumorzellen arbeitet, die in das Blut des Patienten ausgeschwemmt werden. „Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, dass nicht so viele Tumorzellen im Blut unterwegs sind“, sagt Univ.-Prof. Dr. Gerald Höfler, Vorstand des Instituts für Pathologie der Medizinischen Universität Graz. „Das heißt, die Zellen sind in einer Blutprobe nicht einfach zu finden und müssen mit aufwendigen Verfahren identifiziert und isoliert werden.“

Liquid Biopsy kann ohne großen Aufwand in regelmäßigen Abständen wiederholt werden

Die Liquid Biopsy eröffnet Chancen, die über die Vermeidung invasiver Eingriffe hinausgehen. Sie kann nämlich ohne große Belastung für Patienten in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. Während im Anfangsstadium einer Krebserkrankung praktisch immer Material aus Biopsien oder aus der operativen Entfernung des Tumors vorhanden ist, wird es bei fortgeschrittener Erkrankung zunehmend schwierig, an relevante Informationen über den Tumor heranzukommen. Auf die Ergebnisse älterer Biopsien kann man sich nicht immer verlassen: Untersuchungen haben gezeigt, dass Tumoren im Verlauf der Erkrankung ihr genetisches Profil ändern können.

Prof. Höfler: „Der Tumor kann zum Beispiel Resistenz gegen eine bestimmte Chemotherapie entwickeln. Das erkennt man an Veränderungen seiner DNA.“

In Zukunft könnte die Liquid Biopsy also Einfluss auf die längerfristige Gestaltung der Therapie nehmen – dies umso mehr, als bei immer mehr Krebserkrankungen immer längere Überlebenszeiten erreicht werden.

Zirkulierende zellfreie Tumor-DNA kann zum Fortschritt personalisierter Medizin beitragen

Statt ganzer Zellen kann auch die im Blut zirkulierende Erbinformation des Tumors als Informationsquelle herangezogen werden. Man spricht von zirkulierender zellfreier Tumor-DNA. Diese DNA-Fragmente gelangen aus Tumorzellen durch Apoptose, Nekrose oder Sekretion in die Blutzirkulation. Zirkulierende zellfreie Tumor-DNA ist ein Tumormarker, der in Zukunft im Rahmen der Liquid Biopsy dank der hohen Sensitivität der Analyse für eine genauere Beobachtung des Krankheitsverlaufes von Patienten genützt werden könnte.

Ähnlich wie bei zirkulierenden Tumorzellen ist eine erhöhte Menge dieser DNA im Blut mit einer schlechten Prognose assoziiert. Gleichzeitig könnte auf Basis dieser Methode zukünftig eine individuelle Tumortherapie erstellt und im Falle eines Nicht-Ansprechens oder Verlust des Ansprechens schneller angepasst werden. Prof. Höfler: „Im Bereich der personalisierten Medizin könnte diese diagnostische Methode in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.“

„Die Analyse zirkulierender Tumor-DNA ist ein vielversprechendes Forschungsgebiet“, sagt dazu Prof. Dr. Alberto Bardelli von der Universität Turin, der auf der Tagung in Wien einen Vortrag hält. „Sie ermöglicht es uns, im Blut des Patienten nach tumorspezifischen Veränderungen zu suchen. Ein großer Vorteil ist auch ihre hohe Spezifität, denn Mutationen in der zirkulierenden Tumor-DNA sind typische Eigenschaften des Tumors eines individuellen Patienten. Man erkennt sie daran, dass sie in der normalen DNA in anderen Geweben desselben Individuums nicht vorhanden sind.“

Gegenwärtig Prozess der Standardisierung der Labor-Methoden

Klinische Routine ist das freilich noch nicht. Prof. Höfler: „Wir befinden uns gegenwärtig in einem Prozess der Standardisierung der Labor-Methoden. Deshalb gibt es mit einer einzigen Ausnahme – beim Lungenkarzinom, wenn eine Probengewinnung auf anderem Weg nicht möglich ist – noch keine Empfehlungen in den Leitlinien. Das heißt aber nicht, dass diese Verfahren nicht eingesetzt werden. Bei weit fortgeschrittenen Krebserkrankungen gibt es kaum standardisierte Therapieschemata basierend auf Empfehlungen der Fachgesellschaften. In dieser Situation kann man auch auf zirkulierende Tumorzellen oder zirkulierende Tumor-DNA zurückgreifen, um die Therapie zu verbessern.“

Link zum Kongress und dem Programm des „3rd Joint Annual Meeting der Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaft für Pathologie“ vom 10. bis 12. November: http://www.pathology.at/pathologinnen/termine-kongesseaseminare/496-3rd-joint-annual-meeting-2016-11-10

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