Krems / Baden (pts045/06.04.2017/20:30) – Welche „Hausaufgaben“ haben Lehrer/innen und Schulerhalter für die Digitalisierung des Unterrichts noch zu leisten? Wie können digitale Tools das Lernen positiv beeinflussen? Und: Welche Kompetenzen sind dafür nötig? – Mit den Herausforderungen der digitalen Zukunft der Schule beschäftigte sich eine zweitägige gemeinsame Konferenz der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich und Donau-Universität Krems.
Wer über ein Thema fundiert diskutieren möchte, sollte sich einmal die Fakten ansehen. Diesem Grundsatz folgend wurden die diesjährigen EDU | days gestern Nachmittag an der Donau-Universität Krems mit einem Blick auf Forschungsergebnisse zur Mediennutzung und -kompetenz von Jugendlichen eröffnet. Philipp Ikrath vom Institut für Jugendkulturforschung führt den Mythos der Digital Natives darauf zurück, dass diese Generation über umfangreiche Anwendungskompetenzen verfügt. Bei Fragen der Reflexionskompetenzen ergebe sich aber ein ganz anderes Bild. „Die Jugendlichen selbst fühlen sich natürlich schon kompetent“, so Ikrath, „die Wirklichkeit sieht aber gerade im Hinblick auf die Reflexion des eigenen Medienverhaltens schlecht aus“.
Schule noch wenig digitalisiert
In der Schule spielt das Internet nach wie vor in der Schule eine geringe Rolle, wie der Jugendforscher in seiner aus dem Vorjahr stammenden Studie aufzeigt. Immerhin in einem Viertel der höheren Schulen werde das Internet täglich genutzt, in der Primar- und Sekundarstufe weit weniger oft. Was nicht zuletzt an der sehr unterschiedlichen Ausstattung der Schulen liege, so Ikrath. Der viel zitierte „Digital Gap“ liege nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch innerhalb der jungen Generation. Nämlich zwischen bildungsnahen und bildungsferneren Schichten. Leider gelinge es der Schule nicht, die Differenzen auszugleichen, konstatiert der Jugendforscher.
Wie dies zukünftig gelingen soll, zeigten Robert Kristöfl und Martin Bauer vom Bildungsministerium auf. Die Digitalisierungsstrategie setze einerseits genau bei der Verbesserung der IT-Ausstattung in den Schulen an, etwa mit Breitband-Internetverbindungen oder Tablets für alle Schüler/innen. Andererseits soll digitale Grundbildung als Schulfach in der NMS implementiert werden. In Volksschulen laufe derzeit dazu das Pilotprojekt „Denken lernen, Probleme lösen“ zur Förderung von Problemlösekompetenzen. Nicht zuletzt gehe es aber auch darum, die Pädagoginnen und Pädagogen in ihren Kompetenzen zu stärken. Ein Pflichtportfolio für BerufseinsteigerInnen solle bewirken, dass sich Junglehrer/innen selbst Medienkompetenzen und Methoden der digitalen Fachdidaktik aneignen.
Digitalisierung muss Mehrwert bringen
Über den Mehrwert, der die Digitalisierung dem Unterricht bringen soll, macht sich Peter Baumgartner vom Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien an der Donau-Universität Krems Gedanken. „Mich fuchst das schon, dass Medien immer nur dann berichten, wenn es heißt, dass neue Geräte in die Schulen kommen. Aus meiner Sicht muss die Technik einen didaktischen Mehrwert bringen. Nur dann ist sie sinnvoll“. Als negatives Beispiel nennt Baumgartner erste Versionen von elektronischen Schulbüchern, die noch keinen Mehrwert bringen. Hier sei die Entwicklung neuer Nutzungsmuster, neuer didaktischer Konzepte nötig. Leider fehle es bei der Einführung von Innovationen oft an begleitender Forschung.
Politik einig: Digitalisierung der Schule kommt
In der anschließenden Diskussion mit Vertreter/innen der politischen Parteien herrscht ungewohnte Einigkeit: Die Politik müsse alle notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, um die Digitalisierung in der Schule zu voran zu treiben. „Breitband muss wie Wasser und Strom vorhanden sein“, fordert etwa Landtagsabgeordneter Lukas Mandl von der ÖVP. Sein Kollege Emmerich Weiderbauer von den Grünen sieht dabei Land und Bund in der Pflicht: „Bei der digitalen Ausstattung der Schulen dürfen wir die Gemeinden nicht alleine lassen.“ Nationalratsabgeordneter Matthias Strolz von den Neos sieht digitale Bildung als einen Beitrag zur Mündigkeit des Menschen und wünscht sich ein Schulfach Robotik bereits ab der Volksschule. Elisabeth Grossmann, Bildungssprecherin der SPÖ im Nationalrat warnt bezüglich des Umgangs von Jugendlichen vor Parallelwelten, die entstehen können und dankt den Pädagog/innen, die trotz aller Begeisterung für neuer Medien auch sensibel für gefährliche Entwicklungen sind.
Digitalisierungs-Skeptikerin
Genau dieses Spannungsfeld zwischen digitaler Euphorie und großer Skepsis beleuchtet auch Keynote-Speakerin Paula Bleckmann. „Diese Polarisierung schadet vor allem unseren Kindern“, ist die deutsche Medienforscherin überzeugt. Das Problem in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zum Thema Medienkompetenz bestehe darin, dass es – je nachdem, aus welcher Disziplin die Forschenden stammen – zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen komme. Es gebe beispielsweise keine konsistente Antwort darauf, ab wann und wie viel Kinder digitale Medien nutzen sollen. Medienexpert/innen etwa empfehlen aus ihren Untersuchungen abgeleitet als „Einstiegsalter“ für den Umgang mit digitalen Medien die Mitte des fünften Lebensjahres, Pädagog/innen oder Suchtforscher hingegen erst das zehnte Lebensjahr. Ähnlich sehe das Ergebnis bei den Empfehlungen zur Nutzungszeit aus, erklärt Bleckmann und blickt gleichzeitig auf die ernüchternde Realität: Selbst die „großzügigsten“ Empfehlungen liegen nur bei der Hälfte jener Zeit, die Kinder tatsächlich vor dem Bildschirm verbringen.
Die These, dass Lehrer/innen den Einsatz digitaler Medien in der Schule aufgrund von Berührungsängsten und mangelnder eigener Kompetenz vermeiden, stellt die deute Medienforscherin stark in Frage. Sie glaubt, dass viele Lehrer durchaus könnten, aber nicht wollen – weil sie vom Einsatz digitaler Medien im Unterricht schlichtweg nicht überzeugt sind. Bleckmann: „Manche Widerstände sollte man gar nicht versuchen, auszuhebeln, weil sie aus der Forschung heraus eben gut begründbar sind.“ Schließlich würden schichtspezifische Unterschiede zwischen den Kindern durch Subventionierung von Zugang zu High-Tech Geräten nicht ausgeglichen: „Ordentlich Schreiben und Rechnen zu lernen wäre besser.“
Leitmedienumbruch wird gelingen
Trotz aller – wissenschaftlich begründeten – Skepsis nützten die 370 Teilnehmer/innen der diesjährigen EDU | days die große Vielfalt von begleitenden Impulsreferaten, Pecha-Kucha-Vorträgen und praktischen Workshops zu Neuigkeiten aus der digitalen Welt im Schulbereich. Hauptorganisator Gerhard Brandhofer von der Pädagogischen Hochschule freut sich über die hohe Zahl an Teilnehmer/innen und blickt positiv in die Zukunft der digitalen Schule: „Wenn wir nicht in unseren digitalen Dogmen verharren, weder in blinde digitale Skepsis noch in naive digitale Euphorie verfallen, werden wir diesen Leitmedienumbruch im österreichischen Bildungswesen erfolgreich abbilden können“.
Infos und Materialien zu allen Vorträgen & Workshops: http://www.edudays.at Fotogalerie zur Veranstaltung: https://flic.kr/s/aHskUFGUdb
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Aussender: Pädagogische Hochschule Niederösterreich Ansprechpartner: Walter Fikisz Tel.: +43 650 4721023 E-Mail: walter.fikisz@ph-noe.ac.at Website: www.ph-noe.ac.at