Neustadt a.d.W. (pts028/22.05.2017/16:00) – Das Hambacher Fest von 1832 war die erste und mit 30.000 Teilnehmern bis dato auch größte demokratische Volksversammlung in Deutschland. Indes: Für Kaiser Franz von Österreich war es einfach nur ein „abscheuliches Ereignis“. Dessen Kanzler Metternich sah im dem Fest sogar einen „Umsturzversuch“. 185 Jahre später wird die amtierende Bundesratspräsidentin Malu Dreyer am diesjährigen Tag der Deutschen Einheit in Mainz eben dieses Ereignis als „Wiege der deutschen Demokratie“ würdigen. Die ganze Stadt ist dann in Schwarz-Rot-Gold geflaggt, jenen Farben, die – eine Premiere – am 27. Mai 1832 auf dem Hambacher Fest erstmals für Freiheit, Demokratie und deutsche Einheit standen.
Angesichts dieser extremen „alternativen Beurteilung“ eines für Deutschland und Europa damals so wichtigen politischen Ereignisses lohnt ein näherer Blick auf die Vor- und Nachgeschichte dieses Festes und auf das Ereignis selbst.
Die Vorgeschichte – ein Freiheitsfest zwischen Wiener Kongress und Märzrevolution
Das Hambacher Fest fällt in die Zeit zwischen Europas neuer Ordnung durch den Wiener Kongress im Jahre 1815 und der Märzrevolution von 1848/49. Der Deutsche Bund zählt 34 Staaten. Grenzen und Zollschranken sind an der Tagesordnung. Große Teile der Bevölkerung leben in Armut. Ihre Freiheitsrechte sind begrenzt, die der Presse ebenso. Fürsten und Könige kämpfen am Beginn der Industrialisierung um ihre jahrhundertealten Privilegien. Und um ihre Macht. Aber es gärt in der Bevölkerung. Besonders in der Pfalz, die 1832 über die vergleichsweise freizügigste Gesetzgebung verfügt. Die Pfalz gehört seit 1816 zum Königreich Bayern und heißt Bayerischer Rheinkreis (ab 1838 Rheinpfalz).
Der Rheinkreis genoss 1832 innerhalb des Königreichs Bayern noch eine rechtliche und administrative Sonderstellung. Als Zivilrecht galt der französische „Code civil“. Es gab eine Trennung von Verwaltung und Justiz. Die Pressefreiheit war kaum eingeschränkt. Und das Gewerbe war frei.
Aber die Steuern waren zwei- bis viermal so hoch wie im übrigen Königreich. Unangemessen hohe Zollaufschläge auf Wein und Tabak, den wichtigsten Exportgütern des Rheinkreises, erhöhten die Preise und senkten die Wettbewerbsfähigkeit dieser Produkte. Zudem sorgten Anfang der 30er Jahre strenge Winter und Unwetter für Missernten und eine bedrohliche Versorgungslage in der Bevölkerung.
Im Nachbarland Frankreich kam es 1830 zur Julirevolution. In Belgien verkündete 1830/31 eine provisorische Übergangsregierung die Souveränität des Landes. Und die Polen kämpften im Novemberaufstand 1830/31 gegen das zaristische Russland um ihre nationale Einheit und Unabhängigkeit.
Der Nährboden, der letztendlich zum Hambacher Fest führte, war eine außergewöhnliche Gemengelage aus bereits erworbenen (aber immer wieder bedrohten und eingeschränkten) Freiheitsrechten, einer wirtschaftlichen Notlage der Rheinkreis-Pfälzer und einem revolutionären Aufbegehren in europäischen Staaten, was die Pfälzer in ihrem Freiheitskampf bestärkte.
Viele Polen, die nach der Niederschlagung ihres Aufstandes auf dem Wege in ihr französisches Exil auch durch das pfälzische Neustadt zogen, das damals noch Neustadt an der Haardt hieß, wurden von der Bevölkerung bewundert, gefeiert und mit reichlich Geld- und Sachspenden unterstützt.
Die Pressezensur bezog sich damals in den Staaten des Deutschen Bunds auf jedwede Kritik an innerstaatlichen Strukturen und Institutionen. Aber eine Berichterstattung über andere Länder, selbst über dortige revolutionäre Bewegungen, blieb weitestgehend ungeahndet. Ludwig I., seit 1825 König von Bayern, reagierte aber auf diese Unruhen mit zunehmenden Repressionen, insbesondere in „Altbayern“.
So kam es, dass einige freiheitlich gesinnte Publizisten in die „Westpfalz“ umsiedelten. Zu ihnen gehörte auch der Jurist und Verfasser der regierungskritischen „Deutsche Tribüne“ Dr. Johann Georg August Wirth. Zu diesem Schritt bewegt hatte ihn der liberale Journalist Dr. Philipp Jakob Siebenpfeiffer. Siebenpfeiffers „Westbote“ und Wirths „Deutsche Tribüne“ waren die wirkungsvollsten Sprachrohre der liberalen Opposition in der Pfalz. Ihre weit über die Pfälzer Grenzen hinaus ausstrahlende politische Organisation war der am 29. Januar 1832 in Zweibrücken gegründete „Deutsche Vaterlandsverein zur Unterstützung der freien Presse“, kurz „Preßverein“ genannt. Innerhalb kurzer Zeit fanden sich über 5000 Mitglieder, die deren Gründer großzügig unterstützten und mutig für deren Ziele kämpften: für Pressefreiheit, für Demokratie, für einen deutschen Staat.
Auf Druck von Metternich und dem Deutschen Bund bekämpfte die bayerische Regierung dieses Treiben zunehmend mit zahlreichen Verboten, die oft im Widerspruch zur Bayerischen Verfassung standen. Wirth wurde vorübergehend verhaftet. Und er und Siebenpfeiffer durften nicht länger ihre regierungskritischen Publikationen veröffentlichen.
Das war die Lage, als Neustadter Bürger den Vorschlag machten, vor den Toren ihrer Stadt auf der Hambacher Schlossruine ein Fest zu organisieren. Siebenpfeiffer griff diese Idee mit Begeisterung auf und machte sich gleich an die Ausgestaltung dieser Veranstaltung.
Das Fest, das Schwarz-Rot-Gold zum Symbol für Demokratie und Deutsche Einheit machte
Die Hambacher Schlossruine gehörte 1832 einigen Neustadter Bürgern. Das geplante „Nationalfest“ fand demnach auf privatem Boden statt. Dennoch konnte selbst hier nicht zu einer Demonstration oder gar zu einer politischen Versammlung aufgerufen werden. Erlaubt war dagegen der Aufruf zu einem Festumzug, geselliges Essen und Trinken inklusive. Dieses machten sich die Organisatoren (Neustadter Bürger, Mitglieder des „Preßvereins“ u.a.) zunutze. Das offizielle Einladungsschreiben wurde von 32 namentlich genannten Neustadter Bürgern unterzeichnet.
Und so nahm, allen staatlichen Drohungen und Einschüchterungsversuchen zum Trotz, am 27. Mai 1832 das Hambacher Fest seinen Lauf. Es fand in ganz Europa große Beachtung. Denn es war kein regionales Fest der Pfälzer, sondern ein Fest für ein freies und einiges Deutschland. Einige Redner machten sich sogar für ein friedliches und konföderiertes Europa stark. Ehrengast war der aus Paris angereiste Journalist und Theaterkritiker Ludwig Börne. Die rund 30.000 Teilnehmer kamen aus allen Bevölkerungsschichten und aus zahlreichen Nationen. Franzosen waren dabei, ebenso vor der zaristischen Herrschaft geflohene Polen.
Gefordert wurde von den mehr als 30 Rednern, darunter Wirth und Siebenpfeiffer, die nationale Einheit („Deutschlands Wiedergeburt“), Versammlungsfreiheit, Freiheit der Presse, eine Neuordnung Europas, Meinungsfreiheit, die Souveränität des Volkes, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Bürgerrechte und religiöse Toleranz.
Schwarz, Rot und Gold wurden zu den Farben und Symbolen des Hambacher Festes. Eine Fahne mit diesen Farben und in der heute noch gebräuchlichen Anordnung wurde von Neustadts Bürger Philipp Abresch dem Festzug vorangetragen und anschließend auf der höchsten Zinne des Schlosses gehisst. Sie hatte als Inschrift „Deutschlands Wiedergeburt“, gleichlautend mit der Unterzeile von Wirths verbotener Zeitschrift „Deutsche Tribüne“. Die Festgäste trugen Kokarden (Anstecker), Schärpen und Bänder – ebenfalls in Schwarz-Rot-Gold. Zur Hymne wurde das von Siebenpfeiffer geschriebene „Hinauf, Patrioten zum Schloss“ nach der Melodie von Schillers Reiterlied. Es wurde von 300 Handwerksburschen gesungen.
Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker lobte das Fest als eine „beispiellos bürgerschaftliche Initiative“. Die letzten Gespräche, Versammlungen und Diskussionen endeten erst am 1. Juni. Neustadts Bürger hatten Wort gehalten – es war alles friedlich verlaufen. Darüber hinaus war das Fest auch eine organisatorische und logistische Meisterleistung gewesen, denn Neustadt zählte damals nicht mehr als zirka 6000 Einwohner. Und die mussten kurzfristig viele tausend Gäste beherbergen und bewirten. Gäste und Gastgeber waren euphorisiert. Sie hatten viel gewagt und Einzigartiges geschaffen. Sie ahnten nicht, mit welcher Vehemenz und Unnachsichtigkeit die staatlichen Mächte auf ihre Provokationen reagieren würden…
Nach dem Fest – das Imperium schlägt zurück
Bereits Ende Juni 1832 hatte der Staatsminister und Feldmarschall Fürst von Wrede mit etwa 8500 Soldaten – die Hälfte der bayerischen Armee – die Pfalz besetzt. Das bayerische Königreich schlug die Freiheitsbestrebungen des Volkes mit aller Macht nieder. Und auch in vielen anderen europäischen Staaten waren die demokratischen Bewegungen auf dem Rückzug. Wirth und Siebenpfeiffer wurden inhaftiert, kamen überraschend wieder frei, wurden erneut inhaftiert. Siebenpfeiffer konnte fliehen. Wirth kämpfte auch im Gefängnis weiter für seine Überzeugungen.
Am ersten Jahrestag des Festes, Pfingstmontag, den 27. Mai 1833, kam es durch das Militär und der Gendarmerie zu wahren Hetzjagden und Gewaltübergriffen auf Neustadter Bürger. Bilanz: 1 Toter und geschätzte 300 Verletzte. Überall in Deutschland und Europa festigten die Herrscher erneut ihre Machtstrukturen. Und an die Stelle der schwarz-rot-goldenen Fahne auf dem Schloss trat die weiß-blaue. Das Schloss selbst wurde nur 10 Jahre nach dem Fest zur „Maxburg“ umbenannt. Denn die Pfälzer hatten es dem bayerischen Kronprinzen Maximilian anlässlich seiner Hochzeit mit Prinzessin Marie von Preußen zum Geschenk gemacht.
Danach blieb diese „Wiege der deutschen Demokratie“ mehr als 100 Jahre im Eigentum des bayerischen Königshauses. Erst 1952 erwarb der damalige Landkreis Neustadt das Schloss samt umliegendem Terrain aus dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Im Rahmen der rheinland-pfälzischen Verwaltungsreform ging das Schloss 1969 an den neu geschaffenen Landkreis Bad Dürkheim. Seit 2002 wird es von der Stiftung Hambacher Schloss verwaltet, an der das Land Rheinland-Pfalz, der Bezirksverband Pfalz, der Landkreis Bad Dürkheim und die Stadt Neustadt an der Weinstraße beteiligt sind und die von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gefördert wird. 2015 wurde das Schloss mit dem „Europäischen Kulturerbe-Siegel“ ausgezeichnet. Es steht damit beispielhaft für die europäische Einigung sowie für die Ideale und die Geschichte Europas und der Union.
Und 185 Jahre nach dem Fest…
Das Schloss gilt heute als „Wiege der deutschen Demokratie“ und zählt wie auch die Frankfurter Paulskirche und der Reichstag in Berlin zu den großen Symbolen der Demokratie. Die Aufgabe der Stiftung ist, das Hambacher Schloss als bedeutende Stätte für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland und die europäische Zusammenarbeit zu erhalten und zu pflegen. Das gelingt mit der sehr sehenswerten Dauerausstellung „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ und mit zahlreichen bildungspolitischen Veranstaltungen, gleichermaßen für Schüler wie für Erwachsene. Zu den Attraktionen auf dem aufwändig restaurierten Schloss gehört auch ein vielfältiges Kultur-Programm , ein modernes Tagungszentrum und Kulturhaus, ein neues Besucherzentrum und nicht zuletzt auch das „Restaurant 1832“ mit einer beeindruckenden Panoramaterrasse.
In Zeiten der „alternativen Fakten“, der „fake news“ und des Populismus kommt dem Schloss eine ganz neue Bedeutung zu. Seine Geschichte und die Geschichte des Hambacher Festes zeigen, wie mühselig damals ein kleines Stück Freiheit und Demokratie von mutigen Menschen erkämpft wurde. Und wie schnell diese kleinen Freiheiten dann wieder für viele Jahre verschwanden.
Wenn nach einer Studie der TUI-Stiftung aus diesem Jahr nur noch rund die Hälfte der jungen Menschen in den bevölkerungsreichsten EU-Ländern von der Demokratie überzeugt sind, dann sollte das ein endgültiges Warnsignal sein. Pressefreiheit, Demokratie und Glaubensfreiheit sind keine Naturgesetze. Für und um sie lohnt es sich zu streiten und zu kämpfen. Gleiches gilt auch für Schwarz-Rot-Gold. Malu Dreyer: „Die Farben stehen für unser Land, für die Wiedervereinigung und inzwischen auch für ein weltoffenes Deutschland. Wir wollen sie nicht den Rechtspopulisten überlassen, sondern ihre positive Symbolik herausstellen.“
In Frankreich, dessen Geschichte für die Geschichte des Hambacher Festes so eine große Bedeutung hatte, zählt derzeit ein Buch zu den Bestsellern, das vor rund 250 Jahren erschienen ist: Voltaires „Über die Toleranz“. Hierin finden sich auch die Sätze: „Was ist Toleranz? Sie ist Menschlichkeit überhaupt. Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen.“ Wir sollten heute dafür sorgen, dass undemokratische Dummheiten erst gar nicht wieder zunehmen…
Zusatzinfos und Buchtipps: Alle Informationen zur 185-jährigen Jubiläumsfeier am 28. Mai 2017 auf dem Hambacher Schloss sowie zu den Veranstaltungen in diesem Jahr finden sich auf folgender Webseite: http://www.hambacher-schloss.de
– Lutz Frisch: „Deutschlands Wiedergeburt. Neustadter Bürger und das Hambacher Fest 1832“. 335 Seiten. Erschienen 2012 in der Schriftenreihe der Bezirksgruppe Neustadt im Historischen Verein der Pfalz.
– Michael Krausnick: „Johann Georg August Wirth. Vorkämpfer für Einheit, Recht und Freiheit. Eine Biografie“. 315 Seiten. Erschienen 2011 im Wellhöfer Verlag, Mannheim.
Adressen und Kontakt: Stiftung Hambacher Schloss, Hambacher Schloss 1832, 67434 Neustadt an der Weinstraße, Tel.: 06321 926290; Telefax: 06321 482672, E-Mail: info@hambacher-schloss.de, Webseite: http://www.hambacher-schloss.de
Geschäftsführende Schlossmanagerin: Ulrike Dittrich, E-Mail: ulrike.dittrich@hambacher-schloss.de; Pressekontakt: Charlotte Dietz, E-Mail: dietz@hambacher-schloss.de
Öffnungszeiten der Dauerausstellung: April bis Oktober von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr, sonst 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr
Text dieser Pressemeldung: gika-press Giesbert Karnebogen, Paul-Friedländer-Str. 1, 65203 Wiesbaden, Tel.: 0611-18683-90, Mobil: 0171-6106861, E-Mail: gk@gika-press.de
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