Amsterdam (pts006/25.06.2017/10:00) – Ergebnismessungen (outcomes measurements) gewinnen auch in der Neurologie immer mehr an Bedeutung, aus der Sicht von Behandlern ebenso wie aus jener von Patienten oder den Finanziers von Gesundheitsdienstleistungen. Wie lässt sich objektiv feststellen und plausibel belegen, ob eine Therapie die gewünschte Verbesserung bringt, einen sinnvollen klinischen Unterschied macht oder das Fortschreiten einer Erkrankung verzögert? Steht die Behandlung in einem vertretbaren Verhältnis von finanziellem Aufwand und Patientennutzen? Solche Fragen sind beim 3. Kongress der European Academy of Neurology (EAN) das übergreifende Schwerpunktthema und werden in mehreren Symposien und Workshops diskutiert.
Für den Vorsitzenden des EAN-Programmkomitees, Prof. Dr. Paul Boon (Universität Gent, Belgien, und Kempenhaeghe, Niederlande), stehen bei den Ergebnismessungen die möglichen Vorteile für die Patienten im Vordergrund: „Natürlich ist auch die klinische Erklärung des Krankheitsmechanismus durch solche Erhebungen sehr wichtig, aber für die Patienten stehen naturgemäß andere Fragen im Mittelpunkt.“
Nach Diagnosen wie „Epilepsie“ oder „Migräne“ wollen sie in der Regel wissen: Wird die Therapie wirken? Werden meine Anfälle oder Kopfschmerz-Attacken aufhören? Haben die Medikamente unerwünschte Nebenwirkungen? Wie viele Pillen muss ich nehmen und wann, um optimale Wirkung zu erzielen? „Ergebnismessungen ermöglichen es uns, solche Fragen zu beantworten. Wir können dadurch erfahren, wie die Krankheit den Patienten in Zukunft beeinflussen wird, und sehen, auf welche Weise unsere Behandlung wirkt“, erklärt Prof. Dr. Bernard Uitdehaag (VUmc MS Center Amsterdam), Vorsitzender des lokalen Organisationskommittees des Kongresses, der eine der EAN-Sessions zu diesem Thema leitet.
Einfachere Messmethoden
In der Neurologie gibt es Fortschritte bei der Entwicklung leicht handhabbarer Messmethoden, mit denen sich Therapie-Ergebnisse objektivieren und exakt feststellen lassen. Doch leider nicht für alle Krankheiten: Bei langsam fortschreitenden neuromuskulären Krankheiten gestalten sich beispielsweise die Ergebnismessungen in Bezug auf Bewegungseinschränkung oder Lebensqualität der Betroffenen noch umständlich und beschwerlich. Bei häufigen Erkrankungen wie Epilepsie und Migräne gibt es Ergebnismessungen hingegen schon seit Jahren. Hier wird beispielsweise die Zahl der Anfälle oder Kopfschmerzattacken erfasst. „In jüngster Zeit werden die Messungen differenzierter. Wir erheben beispielsweise die beschwerdefreien Tage. Das ist für die Patienten wichtiger als die Gesamtzahl der Anfälle“, sagt Prof. Boon. Bei Epilepsie erfolgt die Erhebung auch mittels EEG, das dann mit einer speziellen Software analysiert wird. Damit lassen sich bestimmte Indikatoren wesentlich besser erkennen kann als mit sonst üblichen Verfahren.
Um beispielsweise zu messen, ob sich der Zustand von Multipler-Sklerose-Patienten verschlimmert hat, hat sich ein einfacher Test als Standard etabliert: Betroffene müssen Stifte in ein Brett mit neun Löchern stecken und dann eines nach dem anderen wieder herausnehmen. Brauchen sie dafür um 20 Prozent länger als beim letzten Mal, gilt das als Beweis, dass sich die Krankheit klinisch verschlechtert hat.
Ergebnismessung bei Demenz
Amsterdamer Forscher haben einen Fragenbogen für Alzheimer-Patienten entwickelt, mit dem sich Demenz im Frühstadium erkennen lässt. Weitere Ergebnismessungen bei Alzheimer sind mit Amyloid-PET-Untersuchungen möglich. Dafür wird eine schwache radioaktive Substanz injiziert, wodurch Amyloid-Ablagerungen in Gehirn sichtbar gemacht werden können. Das Eiweiß ist ein typischer Biomarker für Alzheimer. Auch Untersuchungen der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit können Aufschluss über das Fortschreiten der Neurodegeneration bei Demenz geben.
Kombinierte Methoden sind aussagekräftiger
Zunehmend wird bei der Ergebnismessung auch auf eine Kombination von Untersuchungsmethoden gesetzt. Prof. Uitdehaag rät zu multidimensionalen Ergebnismessungen, wenn heterogene Erkrankungen wie Multiple Sklerose vorliegen. „Es ist sehr aufschlussreich, die Sicht des Patienten und beispielsweise bildgebende Verfahren zusammenspannen. Im MRT-Scan kann eine Verbesserung des Zustandes zu sehen sein, obwohl der Patient über eine Verschlechterung klagt. Umgekehrt kann sich der Patient wohlfühlen, während das MRT-Ergebnis darauf hindeutet, dass in naher Zukunft mit Problemen zu rechnen ist.“
Nebenwirkungen zählen fürs Gesamtergebnis
Bei der Behandlung neurologischer Erkrankungen kommt es häufig zu starken Nebenwirkungen wie Konzentrationsschwierigkeiten oder Gedächtnisverlust. Bis vor wenigen Jahren wurden diese Nebenwirkungen in Kauf genommen, insbesondere bei älteren Patienten. Das ändere sich immer mehr, betonte Prof. Boon: „Nebenwirkungen werden als Teil der Ergebnismessung erfasst und ernst genommen.“ Da die Therapien in steigendem Ausmaß individuell auf Patienten zugeschnitten werden, braucht es auch eine differenzierte Ergebnis-Analyse. Dazu Prof. Uitdehaag: „Es reicht nicht mehr, Patientengruppen pauschal miteinander zu vergleichen. Selbst wenn viele auf eine bestimmte Behandlung ansprechen, muss das nicht für den Einzelnen gelten.“ Mit den Individualisierungen der Therapien wachse die Herausforderung, genau zu erfassen, was man tut, was es bringt und ob die Behandlung bei genau diesem Patienten nutzbringend ist.
Kosten-Nutzen-Bewertung
Durch den steigenden Kostendruck auf die öffentlichen Gesundheitsbudgets sieht sich auch die Neurologie zunehmend mit der Forderung konfrontiert, Therapieerfolge zu belegen, um Kosten und Nutzen einer Behandlung abzuwägen. „Die Bereitschaft zur Kostenübernahme durch Krankenversicherungen steigt, wenn die Wirksamkeit einer Behandlung nachweisbar ist“, sagte Prof. Boon. „Dabei werden auch neue Therapien mit den herkömmlichen verglichen, um herauszufinden, welche ihr Geld wert sind. Je mehr unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten es pro Krankheit gibt, desto relevanter wird die Ergebnismessung“, so der Experte.
Quellen: van Munster CE, Uitdehaag BM. Outcome Measures in Clinical Trials for Multiple Sclerosis. CNS Drugs. 2017 Mar;31(3):217-236; Feys P, Lamers I, Francis G: The Nine-Hole Peg Test as a manual dexterity performance measure for multiple sclerosis http://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1352458517690824 ; Sikkes SA,de Lange-de Klerk ES, Pijnenburg YA, Gillissen F, Romkes R, Knol DL, Uitdehaag BM, Scheltens P. A new informant-based questionnaire for instrumental activities of daily living in dementia. Alzheimers Dement. 2012 Nov;8(6):536-43; Sikkes SA , Knol DL, Pijnenburg YA, de Lange-de Klerk ES, Uitdehaag BM, Scheltens P:Validation of the Amsterdam IADL Questionnaire©, a new tool to measure instrumental activities of daily living in dementia. Neuroepidemiology.2013;41(1):35-41.
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