Wien/Klagenfurt (pts030/23.11.2017/13:20) – Etwa 40 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer leiden am ersten Tag nach einer Operation unter starken oder sehr starken Schmerzen. Dabei erleiden Frauen signifikant mehr Schmerzen. Der Mittelwert in der Kategorie „stärkster Schmerz“ in der Altersklasse 31 bis 40 Jahre liegt bei Frauen bei 5,53 Punkten auf der Schmerzskala, jener der Männer bei 4,0. Auch in der Altersklasse 18 bis 20 Jahre war der Geschlechterunterschied mit 5,37 bei Frauen versus 4,21 bei Männern ausgeprägt. Das sind die Ergebnisse einer neuen Untersuchung mit 1.610 postoperativen Patienten, die von der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) gemeinsam mit der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie (ÖGC) und dem Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) initiiert und durchgeführt und anlässlich der ÖGARI-Jahrestagung AIC 2017 in Wien präsentiert wurde.
„In dieser Patientengruppe finden sich auch die Risikopatienten für eine Schmerz-Chronifizierung. Unser Ziel muss – ungeachtet positiver Durchschnittsergebnisse – eine optimale Versorgung jedes einzelnen Patienten sein“, so ÖGARI-Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc (Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee).
Der postoperativen Schmerztherapie kommt bei etwa 1,2 Millionen jährlich in Österreich durchgeführten Operationen eine große Bedeutung zu. „Ein chirurgischer Eingriff ist nicht selten der Start in eine regelrechte ‚Schmerzkarriere‘: Bei etwa 120.000 Patienten werden die zunächst akuten Schmerzen nach Operationen chronisch, bei rund 12.000 Betroffenen bleiben sie so stark, dass diese mit massiven Beeinträchtigungen leben müssen“, so Prof. Likar. „Diese Zahlen machen deutlich, welches Potenzial hier nicht nur besteht, um menschliches Leid zu lindern, sondern auch um Behandlungs- und Folgekosten zu vermeiden.“ Wenn es gelingt, nur ein Zehntel der schweren Schmerz-Chronifizierungs-Fälle, also 1.200, zu vermeiden, könnten in Österreich allein an Medikamentenkosten 1,3 Millionen Euro jährlich eingespart werden. Nicht berücksichtigt sind hier weitere Folgekosten wie Rehabilitationsmaßnahmen, Berufsunfähigkeit oder ähnliches, rechnet Prof. Likar vor.
Was die Untersuchung besonders deutlich zeigt: „Gerade in der Schmerzversorgung lohnt sich jede Investition in die Infrastruktur und die Ressourcen ganz besonders“, so Prof. Likar. Denn die Daten zeigen erstmals sehr klar, dass es eine hohe Korrelation zwischen optimalen Versorgungsstrukturen und der Schmerzintensität gibt. Jene Patienten, die in Abteilungen mit einem 24-Stunden-Akutschmerzdienst, einem Schmerzkonzept und intensiver Aufklärungskultur behandelt wurden, hatten signifikant geringere Schmerzen bei Belastung und signifikant geringere maximale Schmerzen.
Erhebliche Beeinträchtigungen trotz häufiger Schmerzmessung
Nach Abteilungen aufgeschlüsselt war die mittlere Schmerzintensität am geringsten auf den Abteilungen Gefäßchirurgie und Urologie, am höchsten in der Thoraxchirurgie und der Geburtshilfe.
Die Behandlungszufriedenheit beurteilten immerhin 66,6 Prozent der teilnehmenden Patienten mit „sehr hoch“, weitere 25,8 Prozent waren „zufrieden“. Nur ein Prozent zeigte sich „sehr wenig zufrieden“ und 1,6 Prozent waren „völlig unzufrieden“.
Erfreulich ist, dass die Aufmerksamkeit für das Thema Schmerz besonders in den ersten Tagen nach einer Operation, die zur Vermeidung von Chronifizierungen von entscheidender Bedeutung sind, gestiegen ist: So wurden 23,2 Prozent der Patientinnen und Patienten am Tag nach der Operation ein- bis dreimal, und 75 Prozent sogar öfter als dreimal nach ihren Schmerzen gefragt.
Trotzdem dieser positiven Entwicklungen ist aber der Grad der Beeinträchtigung durch die postoperativen Schmerzen hoch: 50,7 Prozent der Patienten fühlten sich vor allem beim Bewegen (Aufsetzen/Aufstehen), 37 Prozent beim Schlafen, 29,3 Prozent beim Husten/Atmen und 17,2 Prozent in der Stimmung beeinträchtigt. Bei optimaler Versorgungs-Infrastruktur können auch Beeinträchtigung beim Schlaf, beim Husten oder tiefen Atmen reduziert werden. Ein hochsignifikanter Vorteil war diesbezüglich bei der Bewegungs-Beeinträchtigung zu beobachten – optimal betreute Patienten sind also schneller mobil, so Prof. Likar.
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