Wien (pts023/10.07.2018/13:25) – Die Ganzheitsmedizin – also komplementärmedizinische Verfahren plus die Methoden der Traditionellen Medizin in Ergänzung zur Schulmedizin – steht auf wissenschaftlich nachvollziehbaren Fundamenten und befindet sich im Aufwind. Die daraus bekannten Behandlungsmethoden müssen sich nicht nur im Sinne der Empirie und Reproduzierbarkeit bewährt haben sondern auch einen Zugang zu wissenschaftlicher Erklärbarkeit ermöglichen. Für esoterische Themen oder andere nichtmedizinische Quellen stehen wir nicht zur Verfügung.
Für uns Ärzte muss Seriosität in allen medizinischen Bereichen die Grundlage unserer Arbeit sein. Es liegen umfangreiche wissenschaftliche Unterlagen und Publikationen zu den verschiedenen Themen aus der Grundlagen- und aus der klinischen Forschung vor, aus welchen sich Mechanismen als auch Erklärbarkeit der Wirkung ganzheitsmedizinischer Methoden ableiten lassen. Sie stammen aus den verschiedensten wissenschaftlichen Fachgebieten – aus der Physiologie, Physik, Biochemie ebenso wie auch aus anderen Disziplinen. Ein Beispiel stellt die Akupunktur dar: Sie wird in China seit rund 6.000 Jahren verwendet und breit genutzt. Es wäre wohl ungewöhnlich, davon zu sprechen, dass etwa 1,4 Milliarden Menschen über diesen Zeitraum quasi einem kollektiven Irrtum unterliegen bzw. lediglich durch einen Placeboeffekt getäuscht werden.
Ein wesentlicher Punkt bei der Gewährleistung von Seriosität und Qualität ist die Beschränkung der Verwendung ganzheitsmedizinischer Verfahren auf die ausschließliche Anwendung durch Ärzte. Man benötigt als Grundvoraussetzung daher die Ausbildung zum Arzt auf der Grundlage der Schulmedizin. Der Einsatz komplementärmedizinischer Methoden versteht sich daher als Ergänzung, welche einer zusätzlichen Ausbildung bedarf. Die entsprechend intensive Zusatzausbildung kann durchaus Ausmaße annehmen, die in ihrer zeitlichen und wissensintensiven Beanspruchung einer Facharztausbildung gleichgesetzt werden könnte. Es ist daher weder akademisch vertretbar noch im Sinne eines seriösen Dialogs hilfreich, eine Trennlinie zwischen der Schulmedizin und der Ganzheitsmedizin zu ziehen – die schulmedizinische Ausbildung ist die unbedingte Grundvoraussetzung für den Zugang zur Ganzheitsmedizin.
Tausende Ärzte mit Ausbildungsnachweis
Einen wesentlichen Bestandteil der Qualitätssicherung erfüllt – auch im Bereich der Ganzheitsmedizin – daher die Ausbildung. Der aktuelle Fortbildungsbericht der Österreichischen Ärztekammer zeigt, dass viele Ärztinnen und Ärzte eine entsprechende Ausbildung über ein erworbenes Diplom belegen können: rund 4.300 Ärzte in Akupunktur, rund 730 in Homöopathie, etwa 400 in Neuraltherapie, fast 320 in Chinesischer Diagnostik und Arzneitherapie, um nur einige Beispiele zu nennen.
Möglichkeiten und Grenzen der Neuraltherapie
Ich selbst bin seit mehr als zwei Jahrzehnten Neuraltherapeut und besitze das Diplom der Österreichischen Ärztekammer. Das neuraltherapeutische Therapieverfahren wurde ab 1925 von den deutschen Ärzte-Brüdern Dr. Ferdinand und Dr. Walter Huneke entwickelt. Ursprünglich verwendeten sie das Lokalanästhetikum Procain, heute wird überwiegend Lidocain bevorzugt, welches eine bessere Verträglichkeit aufweist. Es wird durch den anwendenden Arzt in die Haut oder an tiefere Strukturen wie z.B. Sehnenansätze, Nervenschaltstellen (Ganglien) etc. injiziert. Ähnlich wie in der Akupunktur zielt die Neuraltherapie durch Reizsetzung auf eine positive Beeinflussung von Regulationsmechanismen im Körper ab. Auf diese Weise wird das Ziel verfolgt, gestörte Abläufe im Zwischenzellsystem zum Erreichen eines regulativen Gleichgewichtes zu bewegen. Nach einer entsprechenden Anamnese und Untersuchung werden Punkte oder Areale – sogenannte Triggerpunkte und -zonen – aufgesucht, wo die oberflächliche Injektion („Quaddeln“) oder eine tiefere Injektion, zum Beispiel in den Raum um Gelenke, eine Reaktion des Körpers auslöst, welche die Beschwerden lindern oder – im besten Fall – beseitigen soll.
Die Neuraltherapie zielt somit auf die Beseitigung von gestörten Regulationsprozessen im Körper, auf die „Entprogrammierung“ chronisch schädigender Reize, auf Entzündungslinderung und Effekte über das vegetative Nervensystem ab. Die Regulationsmechanismen des menschlichen Körpers sind sehr komplex, so wie dies grundsätzlich für den gesamten Organismus gilt. Da spielt sich viel in der sogenannten extrazellulären Matrix (Anm.: „Zwischenzellsystem“) über Signalsysteme zwischen den Zellen ab. Neben der lokalen Therapie über Triggerpunkte kann aber auch eine sogenannte Störfeldtherapie angewendet werden, bei der durch Injektion des Lokalanästhetikums die Regulation ganzer Körperareale soweit normalisiert werden kann, dass die dort bestehenden Symptome bzw. Beschwerdebilder einer vorübergehenden oder nachhaltigen Besserung zugeführt werden.
Die potenziellen Anwendungsgebiete für die Neuraltherapie sind vielfältig: * Akute und chronische Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates * Verschiedene Kopfschmerzarten (Migräne, Spannungskopfschmerz etc.) * Neuralgien und chronische Schmerzzustände * Beschwerden, die von Narben nach schlecht oder nur langsam verheilten Wunden (z.B. auch nach Operationen) ausgehen * Funktionelle Beschwerden (z.B. im Bereich Nacken-Schulter, Lendenwirbelsäule oder Region des kleinen Beckens, Oberbauchregion etc.)
Wird die Neuraltherapie mit der traditionellen Akupunktur verglichen, ergibt sich ein wesentlicher Unterschied darin: Die zusätzliche Anwendung zu dem Reiz, den der Nadelstich anregt, besteht in der Applikation einer kleinen Menge des Lokalanästhetikums. Das führt oft zu einer schnellen Besserung von Schmerzen.
Falls jedoch eine organisch manifeste oder maligne Krankheit vorliegt, erreicht die Neuraltherapie die Grenzen ihrer Anwendbarkeit. Alleine dieser Umstand setzt eine profunde Kenntnis der Schulmedizin und das Wissen über Krankheit und deren Auswirkung bzw. Symptomatik voraus. In der wissenschaftlichen Literatur existieren bereits Studien, die sowohl den Wirkungsmechanismus als auch die Effekte der Neuraltherapie belegen und erklären.
Angebote von Universitäten
In den USA gibt es beispielsweise Universitäten, wo man Integrative Medizin vollinhaltlich studieren kann: z.B. Das Zentrum für Integrative Medizin an der University von Maryland, das Zentrum für Integrative Medizin an der Universität von Colorado oder das Zentrum für Integrative Medizin an der Universität von Arizona. Auch in Europa finden sich beispielsweise das Institut für Komplementäre und Integrative Medizin im Universitätsspital Zürich, das Kompetenzzentrum für Komplementärmedizin und Naturheilkunde am Klinikum rechts der Isar – Technische Universität München und an der Charité Berlin ein Projektbereich Komplementäre und Integrative Medizin am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie.
Unter der Patronanz des letztgenannten Instituts der Charité fand beispielsweise 2017 in Berlin ein Weltkongress zum Thema „Brückenschlag zwischen Komplementärmedizin und Schulmedizin“ statt. In Österreich beschränkt man sich leider nach wie vor auf müßige Grundsatzdiskussionen existenzieller Berechtigung zwischen den beiden medizinischen Themen. Da finden auf internationaler Ebene der Dialog und die Forschung professioneller und vermehrt wissenschaftlich orientiert statt.
Insgesamt befindet sich die Ganzheitsmedizin (Anm.: Integrative Medizin) international weiterhin im Aufwind. Ich erkenne außerdem eine zunehmende Hinwendung zur Traditionellen Medizin. Darin finden sich Themen wie Kräuteranwendungen, Kneippbäder, Schröpfen, etc. Das ist eine absolute Bereicherung für das Gesundheitssystem und entspricht dem Strategiepapier der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zum Jahr 2023. Die WHO will die Traditionelle Medizin in allen Ländern vermehrt gefördert wissen. Dies kommt nicht nur den Patienten zugute, sondern bewirkt positive Auswirkungen auf volkswirtschaftliche Aspekte und die Finanzierung des Gesundheitssystems. Unsere Aufmerksamkeit sollte daher primär der Erhaltung der Gesundheit und der Prävention gelten – Krankheit ist kein Ziel, sondern sollte nach Möglichkeit verhindert oder zumindest erschwert werden.
Die WHO hat in ihrem Strategiepapier „Traditional Medicine Strategy 2014-2023“ veröffentlicht, dass die Traditionelle Medizin einen wichtigen und oft unterschätzten Teil der Gesundheitsversorgung darstellt. Man findet sie in fast jedem Land der Erde. Die Nachfrage steigt zunehmend. Die sichere Anwendung Traditioneller Medizin in belegter Qualität und Wirkung hilft eindeutig, den Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherzustellen, wie die WHO dazu schrieb. Es gehe laut WHO jedenfalls um die Integration dieser Verfahren in die Medizin insgesamt.
Das Referat für Komplementäre und Traditionelle Medizin der Ärztekammer für Wien will die Ziele der WHO ebenso unterstützen, wie die Bestrebung, den Zugang Österreichs zu diesen Themen international zu stärken und dahingehende Allianzen zu fördern. Das Karl Landsteiner Institut für Traditionelle Medizin erfüllt dahingehend als Ansprechpartner einen interessanten Stellenwert auf dem Weg zur Unterstützung durch wissenschaftliche Forschungsaktivitäten und dem interkulturellen Brückenbau im Bereich der Traditionellen Medizin. Eine Chance für Österreich, auch auf internationaler Ebene wissenschaftlich fundierte und seriöse Beiträge zu diesem Thema leisten zu können.
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