Wien (pts023/06.07.2018/14:50) – Wie können wir verletzte oder geschädigte Nerven wieder reparieren? Auf diese Schlüsselfrage wird es in Zukunft viele neue Antworten geben. Das riesige Fachgebiet der Nervenregeneration wird derzeit intensiv beforscht. Österreichische Einrichtungen leisten hier vielfach Pionierarbeit. Wir erleben gerade etliche Durchbrüche, die in absehbarer Zeit für die klinische Praxis relevant sein werden oder teilweise bereits sind. Ich möchte nur ein paar Beispiele herausgreifen, um zu illustrieren, wo die größten Innovationen zu erwarten sind.
Wings for Life – Stoßwellentherapie bei Rückenmarksverletzungen
Für Patienten mit Rückenmarksverletzungen gibt es neben der Rehabilitation nur wenige Behandlungsmöglichkeiten. Im Rahmen des Projekts „Wings for Life“ wird nun der Einfluss der extrakorporalen Stoßwellentherapie in der subakuten und chronischen Phase von Rückenmarksverletzungen getestet – mit vielversprechenden Ergebnissen im präklinischen Modell. Jetzt geht es im Rahmen der ersten klinischen Studie an die Behandlung von Patienten. Wir erhoffen uns sehr viel davon, denn in bisherigen Studien brachte die Stoßwellentherapie eine verbesserte Regeneration und eine Modulation von Entzündungsprozessen in verschiedenen Geweben, darunter auch im Nervengewebe.
Verletzte periphere Nerven: Seide als Schiene für regenerierende Nerven
Experimentelle und klinische Studien widmen sich derzeit auch der Frage, was die Regeneration von lädierten peripheren Nerven begünstigt und wie sich die mikrochirurgische Nervennahttechnik verbessern lässt. Seide könnte die Antwort auf schwere Nervenläsionen sein. BeiVerletzungen eines Nervs mit Gewebsverlust ist ein chirurgischer Eingriff nötig, um die Kontinuität des Nervs wiederherzustellen. Man kann ihn nicht einfach wieder „zusammennähen“, sondern braucht ein autologes Nerventransplantat. Konkret heißt das: Ein anderer, meist sensorischer Nerv muss durchtrennt werden, um als Überbrückung für den geschädigten Nerv zu fungieren.
Das hat zwei gravierende Nachteile: Erstens gibt es nur ein beschränktes Reservoir an Donornerven (Spendernerven), zweitens kommt es zu einem Sensibilitätsverlust in jenen Bereichen, die der Donornerv innerviert. Eine künstlich hergestellte Nervenleitschiene, ein sogenanntes Conduit, kann als Alternative dienen. Nun wurde ein neuartiges Conduit aus Seidenfibroin entwickelt. Es besitzt die erforderlichen physikalischen und biologischen Eigenschaften, um die Regeneration eines Nervs zu unterstützen. Das Seidenconduit wird im präklinischen Modell bereits erfolgreich eingesetzt und stetig weiterentwickelt. So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass das Einbringen von definierten Poren die vaskuläre Versorgung des regenerierenden Nervs verbessert. Dies könnte vor allem zur Überbrückung von langen Nervendefekten von Vorteil sein.
Ein Nerv für zwei Funktionen
Verletzungen der peripheren Nerven, insbesondere komplexe Verletzungen des Arm-Nerven-Geflechtes, führen zu schwerwiegenden funktionellen Beeinträchtigungen des Patienten. Nach schweren Schädigungen wird der in der Läsion gelegene Anteil einer Nervenfaser abgebaut. Von diesem Nervenstumpf ausgehend kann eine neue Nervenfaser in den peripheren Nervenstumpf aussprossen. Hat man keinen – zur Regeneration notwendigen – zentralen Nervenstumpf mehr zur Verfügung, kann man auf unverletzte Nerven zurückgreifen. Deren Funktion geht dabei allerdings verloren.
Mittels einer mikrochirurgischen Technik, die am Ludwig Boltzmann Instituts für Experimentelle und Klinische Traumatologieentwickelten wurde, können wir die Funktion des Spendernervs erhalten. Der periphere Nervenstumpf des geschädigten Nervs wird dabei an die Seite des funktionierenden Nervs „genäht“. Die Nervenfasern des gesunden Nervs sprossen nun in den peripheren Nervenstumpf ein und reanimieren so die ursprüngliche Funktion. Ein Nerv steuert nun zwei Funktionen. Diese Erkenntnisse werden bereits in klinische Anwendungen umgesetzt.
Virtuelle Sensibilität – neue Ansätze in der Rehabilitation
Das Ludwig Boltzmann Institut für Experimentelle und Klinische Traumatologie erforscht derzeit auch, wie die Plastizität des Gehirns genutzt und verstärkt werden kann, um die Folgen von peripheren Nervenschädigungen auszugleichen. Ein Beispiel: Wenn das Gehirn keine Signale mehr von einem verletzten Körperareal bekommt, etwa der Hand, gerät dieses Gebiet sozusagen in Vergessenheit. Ist der Nerv einige Monate nach der Verletzung wieder in das Versorgungsgebiet eingewachsen, muss das Gehirn wieder lernen, die erneut ankommenden Signale zu verarbeiten. Dieser Prozess ist langwierig, mühsam und hat meist nur geringen Erfolg.
Eine neue Methode versucht nun, dem Gehirn des Patienten zu zeigen: „Pass auf, die Hand ist noch da!“. Dies geschieht über audiovisuelles Feedback: Berührung wird hör- und sichtbar gemacht. Das Wirken mehrerer Sinne veranlasst das Gehirn, das beschädigte Areal nicht zu vergessen. Mit Hilfe von speziell entwickelten Spielen wird die Compliance und Motivation der Patienten während der Therapie erhöht. Die Rehabilitation von Verletzungen der peripheren Nerven in den oberen Extremitäten wird dadurch beschleunigt und wesentlich vereinfacht.
Bessere Gleitfähigkeit der Nerven durch humanes Amnion
Auch an der Verbesserung der Gleitfähigkeit von Nerven nach fibrotischer Veränderung wird geforscht. Humanes Amnion, also die innerste fetale Eihaut, wird als Teil der Plazenta nach der Geburt üblicherweise verworfen. Es kann aber als innovatives „human waste material“ als Gleitschicht speziell zur Prophylaxe von erneuten Vernarbungen bei Nerven eingesetzt werden und die damit einhergehenden Schmerzen und etwaige zusätzliche Operationen verhindern.
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