Wien (pts014/19.11.2018/14:05) – In der Laboratoriumsmedizin wurden in den letzten Jahren maßgebliche Fortschritte erzielt. Diese betreffen u.a. die Diagnostik von viralen Hepatitiden, die Frühdiagnose von Familiärer Hypercholesterinämie sowie die Etablierung von Liquid Profiling in der Tumordiagnostik. Neue gesetzliche Bestimmungen zu InVitro-Diagnostika (IVD) bezwecken die Sicherstellung europaweit einheitlicher Qualitätsstandards. Sie könnten jedoch aus diversen Gründen in Österreich zumindest vorübergehend zu Nachteilen für Patienten führen.
Virale Hepatitiden
„Im Zusammenhang mit der Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virusinfektion wurden in den letzten Jahren große therapeutische Fortschritte erzielt, die auch die Diagnostik maßgeblich beeinflusst haben“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Harald H. Kessler , Medizinische Universität Graz, Diagnostik- & Forschungszentrum für Molekulare Biomedizin.
Hepatitis C
Nach aktuellem Stand ist die chronische Hepatitis C durch die Einführung direkt antiviral wirksamer Medikamente (DAA) in nahezu 100 Prozent der Fälle heilbar. Die Heilung ist deshalb möglich, weil das Hepatitis C-Virus (HCV) ein sogenanntes Positiv-Strang-RNA-Virus ist, das ausschließlich über einen komplementären Negativ-RNA-Strang repliziert und nicht in das Wirtszellgenom integriert. Die modernen DAA führen zu einer Hemmung von viralen Enzymen, welche für die HCV-Replikation unbedingt benötigt werden. Die neueste Generation der Medikamente wirkt pangenotypisch, das heißt, es ist keine aufwändige Bestimmung des HCV-Genotyps bzw. -Subtyps mehr erforderlich.
Die weltweite Ausrottung des HCV ist möglich geworden. Voraussetzung dafür ist ein möglichst vollständiges Screening der Risikogruppen. Die Verdachtsdiagnose wird dabei durch den Nachweis von HCV-Antikörpern im Blut gestellt, die definitive Diagnose erfolgt durch den spezifischen Nachweis von HCV RNA im Blut.
Hepatitis B
Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein teilweise doppelsträngiges DNA-Virus. Aufgrund des Auftretens der „Circular Covalently Closed DNA“ (cccDNA), die während der Replikation im Wirtszellkern auftritt und dort dauerhaft verbleiben kann, ist eine Heilung der Hepatitis B derzeit nicht möglich. Die Erkrankung kann nach Jahren oder Jahrzehnten wieder aufflammen, beispielsweise unter Immunsuppression.
Als Screeningparameter dient das Hepatitis-B-Suface (HBs)-Antigen. Auch bei der Hepatitis B ist ein möglichst vollständiges Screening der Risikogruppen von größter Bedeutung. Die moderne Indikationsstellung für eine antivirale Therapie berücksichtigt die Höhe der HBV-DNA-Konzentration im Blut (>= 2000 IU/ml), die entzündliche Aktivität in der Leber (Alaninaminotransferase, ALT) und den Fibrosestatus (Elastographie, Fibroscan). Durch die Anti-HBV-Therapie wird eine möglichst starke Unterdrückung der Virusreplikation angestrebt. Die moderne Therapie erfolgt als Monotherapie mit den Nukleos(t)idanaloga Entecavir bzw. Tenofovir. Die Therapie muss in den meisten Fällen zeitlich unbegrenzt durchgeführt werden. Dabei sind regelmäßige Kontrollen der HBV-DNA-Konzentration im Blut erforderlich.
Familiäre Hypercholesterinämie
Als Familiäre Hypercholesterinämie (FH) wird eine erblich bedingte Fettstoffwechselstörung bezeichnet, die mit teils drastisch erhöhten Cholesterinwerten einhergeht. „In Österreich sind bis zu 40.000 Personen (darunter viele Kinder) betroffen – nur etwa zehn Prozent wissen jedoch davon“, berichtet Univ.-Prof. DDr. Christoph Binder , Medizinische Universität Wien/AKH Wien, Klinisches Institut für Labormedizin, Wien.
Unbehandelt ist FH mit einem stark erhöhten Risiko verbunden, bereits in jungen Jahren Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erleiden. Da in Österreich die FH noch sehr selten diagnostiziert wird, bleiben die Chancen einer frühen Behandlung von Patienten und deren Angehörigen weitgehend ungenutzt. Um diese Situation zu verbessern, hat die Österreichische Atherosklerose Gesellschaft (AAS) 2015 beschlossen, das Projekt „Fass dir ein Herz – Screening und Register für FH“ in den Pilotstädten Wien, Graz und Innsbruck zu etablieren. Das Vorsorgeprojekt der Herzgesundheit soll in den nächsten Jahren auf ganz Österreich ausgeweitet werden. Neben dem AKH sind in Wien das Wilhelminenspital und das Krankenhaus Rudolfstiftung (beide KAV) dabei.
Ein zentraler Aspekt ist die Aufklärung von Betroffenen und der Ärzteschaft durch umfassende Informationsaktivitäten (Medienberichte, Fortbildungsveranstaltungen, etc.). Zur Diagnose werden bestimmte Scores herangezogen. Eine molekulargenetische Bestätigung der FH-Diagnose ist Basis für eine optimale Prävention und individuell adäquate Therapie.
Liquid Profiling zur Krebsdiagnose
In den letzten Jahren bekommt eine neue Methode in der Krebsdiagnostik zunehmenden Stellenwert, betont Assoz.-Prof. Univ.-Doz. Mag. Dr. Wilfried Renner , Medizinische Universität Graz, Klinisches Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik: „Das sogenannte Liquid Profiling beruht auf dem Nachweis von im Blut zirkulierenden Zellen oder DNA solider Tumoren.“ Es ist hinsichtlich der Suche nach bestimmten Mutationen beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) bereits klinische Routine und steht beim Darmkrebs kurz davor.
Bisher wurde Liquid Profiling in erster Linie eingesetzt, um herauszufinden, ob bestimmte Mutationen vorhanden sind oder nicht, und darauf mögliche Therapieentscheidungen aufzubauen. Mittlerweile wird diese Methode jedoch zunehmend auch zur schonenden Verlaufskontrolle verwendet. Damit lässt sich überprüfen, ob neue Mutationen entstanden sind oder existierende Mutationen im Laufe einer Behandlung verschwunden sind. Dies kann die Möglichkeit eröffnen, eine neue Therapieoption einzusetzen oder aber ein bereits verwendetes Mittel erneut zur Anwendung zu bringen.
Neue gesetzliche Bestimmungen und ihre Auswirkungen
Die seit Mai 2017 geltende InVitro-Diagnostika (IVD)-Verordnung der Europäischen Union wird ab dem Jahr 2022 voll in Kraft treten und bedeutet einen Umbruch in der Regulierung der IVD. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen bezwecken eine – grundsätzlich begrüßenswerte – Sicherstellung von europaweit einheitlichen Qualitätsstandards. „Sie könnten allerdings u.a. aufgrund der noch nicht erfolgten Novelle des Medizinproduktegesetzes und der fehlenden Personalressourcen in Österreich zu Engpässen oder längeren Wartezeiten für therapieentscheidende Tests und damit zu Nachteilen für Patienten führen“, warnt Ass.-Prof. Dr. Christian Schweiger , Medizinische Universität Wien/AKH Wien, Klinisches Institut für Labormedizin.
In den Verordnungen ist u.a. eine Reform der benannten Stellen (notified bodies) enthalten, die als unabhängige dritte Institutionen mit Fachkompetenz die strikte Überwachung der Hersteller gewährleisten sollen. Aufgrund unzureichender Qualität hat die EU-Kommission 50 Prozent der benannten Stellen geschlossen, für die übrigen benannten Stellen wurden hohe Anforderungen festgelegt. Dieser Prozess hat dazu geführt, dass es derzeit in Österreich keine benannte Stelle mehr gibt. Dies stellt aus wirtschaftlicher Perspektive und aus Sicht der maßgeblichen Stakeholder ein massives Problem dar. So müssen alle Zulassungen in Deutschland oder anderen Ländern des EU-Raums durchgeführt werden. Da aber auch dort die Hälfte der benannten Stellen geschlossen wurde, kommt es zu einem massiven Rückstau mit langen Wartezeiten.
Weiters werden durch die neue IVD-Verordnung bis etwa 2024 sämtliche IVDs nach einem neuen Risikobewertungsmodell eingestuft werden müssen. Als Ergebnis wird für 80 Prozent – anstatt wie bisher 20 Prozent – dieser Tests eine externe Zulassung und Überwachung durch benannte Stellen erforderlich sein. Dadurch werden die Kosten für die Diagnostik-Industrie deutlich steigen, das Angebot an kommerziell vertriebenen Tests wird sich daher verringern.
Als Konsequenz ist damit zu rechnen, dass die große Gruppe der CE-gekennzeichneten, also nach der Europäischen Regulation von Herstellern angebotenen Reagenzien, durch sogenannte inhouse-Tests von Laboratorien von entsprechender Größe oder auf Universitätsniveau ergänzt werden müssen. Auch auf diesem Gebiet wurden die Regelungen allerdings verschärft: Die neue IVD-Verordnung schreibt vor, dass Anbieter von inhouse-Tests das Qualitätsniveau der internationalen Akkreditierungsnorm EN ISO 15189:2012 erfüllen müssen, lässt aber in der Umsetzung Spielraum für nationale Regelungen. Die ÖGLMKC urgiert daher eine entsprechende Novelle des österreichischen Medizinproduktegesetzes und eine adäquate personelle Aufstockung der derzeit unterbesetzten Akkreditierungsstelle, um die bevorstehende Zunahme der Nachfrage nach Akkreditierung zeitnahe bewältigen zu können. „Als Beitrag zur Entspannung dieser Situation wird die ÖGLMKC junge Kollegen motivieren, sich als Sachverständige und Gutachter der Akkreditierungsstelle zur Verfügung zu stellen, damit die entsprechenden Audits und Begutachtungen in einem vertretbaren Zeitfenster stattfinden können“, so Prof. Schweiger.
Weitere Infos : http://www.oeglmkc.at
Bildinformation: Pressekonferenz „Neues aus der Laboratoriumsmedizin“, 19. November 2018, Wien – im Bild v.l.: Assoz.Prof. Univ.-Doz. Mag. Dr. Wilfried Renner, Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr. Gregor Hörmann, Univ.-Prof. Dr. Harald H. Kessler, Ass.Prof. Dr. Christian Schweiger und Univ.-Prof. DDr. Christoph Binder; © Thomas Maria Laimgruber
Pressematerial:
Pressemappe als PDF: http://www.hennrich-pr.at/upload/editor/Pressemappe_Labor_19_11_2018.pdf
Audiobeiträge vom Pressefrühstück: (kostenlose Registrierung für JournalistInnen) https://o-ton.at/component/mfoton/6414?view=content
Bilder vom Pressefrühstück, 19. November 2018 in Wien (© Thomas Maria Laimgruber): https://www.dropbox.com/sh/rfe63h856w1m21m/AACRO6X8Lksn3PMDP1M0Bl3Da?dl=0
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