Wien (pts019/12.12.2018/12:15) – Bisher galt für Landwirtschaftsflächen: entweder Nahrungsmittelproduktion oder Stromerzeugung mittels Photovoltaikanlage (PV). Pilotprojekte zeigen jedoch, dass dies kein Ausschluss mehr sein muss, denn innovative PV-Lösungen können Energiewende und Landwirtschaft miteinander verknüpfen. Dies nahmen die Landwirtschaftskammer Österreich (LK Österreich) und der Bundesverband Photovoltaic Austria (PVA) zum Anlass, um einem breiten Publikum den aktuellen Wissensstand relevanter Forschungsinstitutionen und bereits umgesetzte Anwendungsbeispiele sowohl für die extensive als auch für die intensive Bewirtschaftung zu präsentieren und Synergiepotentiale zu beleuchten.
Kopplung von Landwirtschaft und Stromproduktion ermöglicht steigende Erträge
Wissenschaftler und Experten aus der Praxis zeigten auf, dass Agrarphotovoltaik (Kopplung von Agrarwirtschaft und Photovoltaik) als erfolgsversprechendes Modell gilt, um die Energiewende im ländlichen Raum voranzutreiben. Neben den Chancen und Herausforderungen des neuen Nutzungskonzepts wurden auch bereits bestehende aber auch zukünftig neue technische Lösungen sowie die sozio-ökonomischen Aspekte der Agrarphotovoltaik präsentiert. Die Vortragenden verdeutlichten, dass bei einer kontinuierlichen technologischen Weiterentwicklung der PV-Systeme und der Landtechnik sowie mit einer entsprechenden Begleitforschung zu speziellen Fragestellungen des Pflanzenbaus und der Tierhaltung mit Doppelnutzungskonzepten die landwirtschaftliche Urproduktion erhalten bzw. sogar gesteigert werden kann, die Landnutzungseffizienz erhöht wird und die Energiewende gesamtgesellschaftlich sinnvoll gelingen kann.
Vera Immitzer, Generalsekretärin vom PVA: „Für das Ziel, bis 2030 ausschließlich erneuerbaren Strom zu produzieren, ist ein umfassender Ausbau der Photovoltaik notwendig. Trotz hohem Dachpotenzial ist es notwendig auch andere Flächen für die Solarstromproduktion zu nutzen. Dank der mittlerweile ausgeklügelten Nutzungskonzepte, bringt der Einsatz von PV-Anlagen auf Freiflachen vielfältige positive Effekte auch für die Landwirtschaft und beinahe noch unerschlossene Anwendungsmöglichkeiten. Dementsprechend muss die Betrachtung von qualifizierten Freiflachen größere Bedeutung gewinnen und Anreize für diese Flächen müssen geboten werden.“
Kasimir Nemestothy, Referatsleiter Energie in der LK Österreich, unterstrich die immensen Herausforderungen, die durch die Klimakrise bereits jetzt für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Österreich entstehen. „Die Klimakatastrophe ist in unserem Sektor mit voller Wucht angekommen. Immer extremere Witterungsverhältnisse verursachen jährlich steigende Milliardenschäden, über Generationen aufgebaute Landnutzungsformen und Infrastrukturen werden mit einem Schlag zerstört. Nur wenn wir es schaffen, unsere Kräfte zu bündeln, um gemeinsam alle erneuerbaren Energietechnologien optimal weiterzuentwickeln, können wir die klimaschädlichen Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger im notwendigen Ausmaß reduzieren. Dazu müssen wir vorausdenken und neben gebäudeintegrierten PV-Systemen auch neue Nutzungsmöglichkeiten entwickeln. Die sichere Versorgung mit hochwertigen Nahrungsmitteln und mit erneuerbarer Energie aus der Region ist eine starke Triebkraft für unsere Bemühungen.“
Andreas Gronauer von der Universität für Bodenkultur Wien berichtete in seinem Vortrag, dass „die globalen Herausforderungen im Großen und die persönlichen Bedürfnisse des Einzelnen im Kleinen ein langfristiges Miteinander zwischen Landwirtschaft, Energiewirtschaft und Infrastrukturplanung im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses erfordern. Die Zweifachnutzung landwirtschaftlicher Flächen durch Agrarphotovoltaik kann dazu einen Beitrag leisten, wenn die langfristige Produktion von Lebensmitteln und der Naturraum auf dafür geeigneten Flächen nicht eingeschränkt werden“.
Stephan Schindele vom Fraunhofer ISE betont, dass „bei der Doppelnutzung weiterhin gewährleistet sein muss, dass die landwirtschaftliche Hauptproduktion erhalten bleibt und die PV-Stromerzeugung an die Anforderungen der Landwirtschaft angepasst sein muss. Für den umfassenden Einsatz der Agrarphotovoltaik muss dem Landwirt ein Nutzen an der Anlage geboten werden. Sei es durch eine Pachtvergütung für die genutzte Fläche, die Möglichkeit zur Stromeigenerzeugung oder eine umfassende Beteiligung am gesamthaften Nutzungskonzept. Für eine ganzheitliche Kopplung der Agrarwirtschaft und Photovoltaik sind Forschung und Innovationen vor allem auch auf dem Markt zu erproben“.
Auch gibt es eine historische Betrachtung der Doppelnutzung: „Landwirte waren bereits in der Vergangenheit unsere Energieversorger indem sie Futtermittel für Ochsen- und Pferdegespanne sowie heutzutage E5 und Biodiesel-Kraftstoffe erzeugt haben. Wenn es die Politik zulässt, können Landwirte durch Doppelnutzung ihrer Agrarflächen in Zukunft beides: ihrer Kernaufgabe der Nahrungsmittelproduktion gerecht werden und zusätzlich durch die Bereitstellung von Solarstrom einen Beitrag zum Ausbau der Elektromobilität leisten“, so Schindele.
Durch das neue Nutzungskonzept ergeben sich auch spezielle Anforderungen an die PV-Technologie. Christoph Mayr, vom AIT Austrian Institute of Technology, stellte Innovationen im PV-Bereich vor, die bereits vorhanden sind, um dem Einsatz am Feld zu entsprechen. „Die PV-Anlage kann an die Anforderungen der jeweiligen Pflanzenbewirtschaftung angepasst werden, sei es bei Licht-/Schattenbedarf oder einer gezielten Selektion des Lichtspektrums. Auf Grund der unterschiedlichen Anforderungen der Projekte ist die geeignete Technologiewahl entscheidend. Nicht nur die Auswahl der Pflanzen wird an die Technologie angepasst, sondern auch die Technologie ist im Stande sich den Erfordernissen der Pflanzen anzupassen. Dafür ist aber noch einiges an Forschung und Entwicklung notwendig, um das Wechselspiel zwischen Photovoltaik und darunterliegende Anwendungen zu optimieren und großflächige Umsetzungen zu ermöglichen“, so Mayr.
Nobert Miesenberger und Martin Fleischanderl von Helios Sonnenstrom berichteten von deren Erfahrungen bei bereits realisierten Agrarphotovoltaik-Projekten. Unter den PV-Anlagen wurde u.a. die Haltung verschiedener Tierarten wie Schafe, Hühner und Ziegen erprobt. Fleischanderl teilte seine Erfahrungen mit der Tierwelt: „Werden Tiere und PV-Anlagen auf der gleichen Fläche gemeinsam gehalten bzw. genutzt, müssen die Eigenschaften der Tierarten, im speziellen der unterschiedlichen Rassen, mitbedacht werden. Ziegen bspw. eignen sich nicht gut, da sie gerne auf die Module klettern. Auch bei der Wahl der Schafe müssen die Eigenschaften der einzelnen Rassen beachtet werden. Hühner sind hier wesentlich geeigneter.“
Miesenberger ergänzt: „Die regionale Stromproduktion muss auch die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung schaffen, um die ansässige Bevölkerung miteinzubeziehen. Die Akzeptanz in der dort lebenden Bevölkerung muss erarbeitet werden und leistet einen essenziellen Beitrag zum Gelingen der einzelnen Projekte.“
Alle Unterlagen finden Sie unter: https://www.pvaustria.at/pvdoppelnutzenlw
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