Schmerzbehandlung im Wohnzimmer: Mit Elektrotherapien gegen Muskelschwund und Rückenschmerzen

Wien/Linz (pts012/30.01.2019/10:50) – Bei chronischen Schmerzen müssen nicht immer Medikamente die alleinige Behandlung sein: Elektrotherapeutische Anwendungen sind sicher, haben schmerzlindernde Effekte und wirken gegen Muskelabbau. Eine breite Palette von Therapie-Optionen steht zur Verfügung – auch solche, die Patienten in den eigenen vier Wänden nutzen können, berichten Experten der Österreichischen Schmerzgesellschaft aus Anlass ihrer Schmerzwochen 2019.

Elektroimpulse helfen bei vielen Beschwerden – zum Beispiel zum Muskelaufbau nach längerer Immobilisierung bei Verletzungen, schweren Erkrankungen und Operationen oder gegen Schmerzen im Rücken und in den Gelenken. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von elektrotherapeutischen Anwendungen, die Patienten zu Hause anwenden können. „Gerade bei chronischen Schmerzen ist es für Betroffene wichtig, auch selbst etwas zur Linderung ihrer Beschwerden beitragen zu können“, sagt Prim. Dr. Daniela Gattringer, Vorstandsmitglied der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖGS) und Leiterin der Abteilung für Physikalische Medizin am Ordensklinikum, Barmherzige Schwestern Linz, anlässlich der 18. Österreichischen Schmerzwochen. „Medikamente sind dabei nicht die einzige Strategie. Heimbehandlungen sind vor allem bei längerfristigen oder chronischen Beschwerden eine wichtige Säule in der Schmerzbehandlung.“ Die nötigen Geräte gibt es, nach ärztlicher Verordnung, in bestimmten Fällen auch leihweise von der Krankenkasse.

Elektrostimulation belebt schlaff gelähmte Muskeln und verzögert Muskelabbau

Wie mit einer Untersuchung im Rahmen des EU-Wissenschaftsprojekts RISE belegt werden konnte, kann diese Therapieform vielfältig eingesetzt werden: „Funktionelle Elektrostimulation mit speziell entwickelten Stimulatoren und Elektroden ist eine Möglichkeit zur Behandlung schlaff gelähmter, denervierter Muskeln. Sie stellt eine sichere und wirksame Therapie dar und kann nach einer kurzen Einschulung in der Klinik auch daheim angewendet werden“, erklärt Prim. Gattringer.

Untersucht wurden für die Studie Muskelgewebsproben von Patienten mit Rückenmarksverletzungen sowie von körperlich aktiven und inaktiven Senioren. Das Ergebnis: Menschliche Muskelfibrillen, also jene Funktionseinheiten in der Muskelzelle, die für deren aktive Kontraktion sorgen, sind wahre Überlebenskünstler. Sie überdauern jahrelang, auch wenn sie „außer Betrieb“ sind, weil die Nervenverbindung gekappt und ihre Verbindung zu den Motoneuronen vollständig und irreversibel unterbrochen ist. Der Überlebenszeitraum ist länger als bisher angenommen. Denervierte Zellen bauen normalerweise schnell ab, bis hin zum völligen Absterben. Die Studie zeigt nun, dass funktionelle Elektrostimulation denervierte Muskelfibrillen retten kann.

„Für ältere Patientinnen und Patienten ist Elektrotherapie besonders hilfreich“, betont Prim. Gattringer. Die Muskulatur unterliegt einem altersbedingten Abbau. Muskelmasse wird durch Fett- und Bindegewebe ersetzt. „Mit der funktionellen Elektrostimulation lässt sich dieser Alterungsprozess hinauszögern“, so Prim. Gattringer. Für ältere Patienten bringt sie, vergleichbar mit aktivem Muskeltraining, eine bessere Durchblutung und mehr Muskelmasse. Das vermindert das Risiko für Schmerzen und Stürze und verbesserte den Zustand der Betroffenen insgesamt. Für Menschen, die kaum mehr mobil sind, bedeutet mehr Muskelmasse eine Erleichterung beim Sitzen und ein Schutz gegen Wundliegen.

Neue Behandlungsformen bei Gangunsicherheit, tauben oder brennenden Füßen

Relativ unbekannt ist die Hochtontherapie, eine neue und effektive Form der Elektrotherapie, die sich genauso bequem zu Hause im Sitzen oder Liegen anwenden lässt. Erkrankte Nerven werden dabei ursächlich behandelt, indem der Nervenstoffwechsel beeinflusst wird. Die Behandlung wird als angenehm empfunden. Sie wird bei Polyneuropathien eingesetzt, etwa aufgrund von Diabetes oder nach Chemotherapie, bringt aber auch Linderung bei Arthrosen.

Ein weiteres Beispiel für eine innovative Form der Physikalischen Therapie für die Anwendung in Spitälern und ärztlichen Praxen, die sehr rasch Behandlungserfolge zeigt, ist die fokussierte Stoßwelle (Piezo-Technologie). Haupteinsatzgebiet sind myofasziale Schmerzsyndrome oder Sehnenansatzentzündungen. Im Unterschied zur radialen Stoßwelle kann die fokussierte Stoßwelle punkt- oder linienförmig, in unterschiedlicher Tiefe ins Gewebe eindringen. Sie ermöglicht dem behandelnden Arzt, die Schmerzursache gezielt zu behandeln. Meist reichen drei Behandlungen zum Erfolg.

Quelle: Kern H, Hofer C, Löfler S, et al. Atrophy, ultra-structural disorders, severe atrophy and degeneration of denervated human muscle in SCI and Aging. Implications for their recovery by Functional Electrical Stimulation, updated 2017. Neurol Res 2017;39:660-6. doi: 10.1080/01616412.2017.1314906. Epub 2017 Apr 13 http://europepmc.org/abstract/MED/28403681

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