Wien (pts024/08.04.2019/14:35) – Die Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS) hält die in Frankreich seit Freitag, den 5. April 2019, in Kraft getretenen Verbote von texturierten Brustimplantaten für überzogen. Ähnliche Verbote werden aktuell in Holland und Kanada diskutiert. Gefordert und begrüßt wird von der ÖGS hingegen die Einführung eines bundesweiten Implantatregisters nach dem Vorbild der neuen Regelung in Deutschland, wie sie vergangenen Mittwoch vom deutschen Bundeskabinett als Gesetzentwurf beschlossen wurde.
Das Verbot der Verwendung von Brustimplantaten mit rauer Oberfläche in Frankreich hat die seit langem schwelende Diskussion um diese Medizinprodukte neu angefacht. Die Gesundheitsbehörden anderer europäischer Länder sehen keinen Grund eines Verbotes oder einer Einschränkung.
Zum Brustimplantat assoziiertes anaplastisches großzelliges Lymphom (BIA-ALCL)
„Beim offenbar durch Brustimplantate hervorgerufenen Lymphom handelt es sich nicht um eine klassische Krebserkrankung“, erklärt ÖGS-Präsident Univ. Prof. Dr. Christian Singer. „Vielmehr kommt es zum unkontrollierten Wachstum von körpereigenen T-Lymphozyten, also Abwehrzellen, in Brüsten, die entweder aus kosmetischen Gründen oder nach einer Tumorerkrankung mit einem Brustimplantat versorgt wurden“, so Singer. Die Erkrankung äußert sich typischerweise durch eine Schwellung der betroffenen Brust viele Jahre (in der Regel mehr als 7 Jahre) nach der Operation, bedingt durch eine Flüssigkeitsansammlung um das Implantat. Das Geschehen schreitet langsam voran und ist im Frühstadium durch Entfernung des Implantates und der Implantatkapsel gut behandelbar und in der Regel heilbar.
Häufigkeit des BIA-ALCL
Die tatsächliche Häufigkeit des Auftretens ist, bedingt durch eine hohe Dunkelziffer bei den Implantationen (Stichwort: Ästhetische Operationen im Ausland), derzeit nur schätzbar, es gibt aber große regionale Unterschiede mit einer Häufung in Australien/Neuseeland. Weltweit wurden bisher über 500 Fälle beschrieben, 16 Frauen sind verstorben. In Österreich ist eine Patientin nach einer Tumor-Rekonstruktion erkrankt, sie wurde erfolgreich behandelt.
Geht man davon aus, dass weltweit mehr als 35 Millionen Frauen Brustimplantate allein mit rauer Oberfläche tragen, scheint das Erkrankungsrisiko auf den ersten Blick vernachlässigbar. Genauere Untersuchungen mit statistischen Hochrechnungen gehen z.B. in den USA von durchschnittlichen Häufigkeiten von 1 Erkrankung auf 30.000 texturierte Implantate aus. Es scheint allerdings eine Abhängigkeit vom Implantattyp und vor allem von der Oberfläche zu geben, mit einem erhöhten Risiko bei raueren „makrotexturierten“ und Polyurethan-Oberflächen, das in Australien bis zu 1:2800 gehen soll. Ein möglicher Zusammenhang besteht mit schleichenden Infektionen, da in manchen Präparaten in Australien bei uns kaum vorkommende Bakterien nachgewiesen wurden, und die in Australien erkrankten Frauen vielfach auch im Ausland implantiert worden waren.
Alle diese Zahlen müssen allerdings insbesondere bei Frauen, die sich einer risikoreduzierenden Operation unterziehen, bei denen ein Brustaufbau nach einer Brustkrebsoperation geplant ist, in einen realistischen Bezug zum durchschnittlichen Erkrankungsrisiko am Mammakarzinom, das in Österreich derzeit für eine von acht Frauen besteht, gesehen werden.
Konsequenzen: Verbot überzogen, Forderung nach Implantatregister
„Seitens der ÖGS halten wir – wie viele andere Fachgesellschaften und Behörden – das in Frankreich ausgesprochene Verbot texturierter Implantate für überzogen“, erklärt der plastische Chirurg und ÖGS-Sekretär Prim. Univ. Doz. Dr. Rupert Koller. „Auch ist das tatsächliche Erkrankungsrisiko unter unseren hochwertigen Operationsbedingungen und mit den hierzulande verwendeten Implantaten sicher niedriger einzuschätzen, als es in machen Untersuchungen beschrieben ist“, so Koller.
Betroffene, die bereits ein Implantat tragen, müssen sich keinesfalls einer Explantation unterziehen, im Zweifelfall ist allerdings eine Kontrolle an der Stelle, wo die Implantation durchgeführt wurde, anzuraten. Frauen, die sich einer neuen Implantation unterziehen, müssen aber ausführlich über die Problematik aufgeklärt werden. Die Prothesen mit glatter Oberfläche haben auch potenzielle Nachteile wie verstärkte Kapselbildung und instabile Positionierung, was wieder zu vermehrten Revisionsoperationen führen würde.
Als dringend notwendig erachtet wird seitens der ÖGS hingegen die Erfassung und konsequente Nachbeobachtung aller PatientInnen, die ein Brustimplantat bekommen, im Rahmen von nationalen, von den Gesundheitsbehörden verordneten Registern.
Die Österreichische Gesellschaft für Senologie (ÖGS) ist ein interdisziplinäres Forum für Brustgesundheit. Sie unterstützt den Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen klinischen, diagnostischen und theoretischen Fachrichtungen auf den Gebieten der Medizin, der Biologie, der Physiologie und allen Personen, die sich mit Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Brustdrüse beschäftigen. Die ÖGS fördert darüber hinaus kooperative und interdisziplinäre Studien zur wissenschaftlichen Vertiefung der Kenntnisse in diesem Bereich. Weitere Informationen unter: http://senologie.at
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