Wien (pts016/31.01.2022/10:45) – Präzisionsmedizin und Digitalisierung eröffnen neue Perspektiven in der Diagnose und Therapie sowie in der Bewältigung steigender medizinischer Versorgungsansprüche, insbesondere in Dermatologie
Vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung der Medizin, demographischer Herausforderungen, dem steigenden Effizienz- und Kostendruck im Gesundheitswesen sowie dessen angespannter Personalsituation eröffnen medizintechnologische Entwicklungen neue Perspektiven. Im Rahmen einer Pressekonferenz am 25. Jänner im Presseclub Concordia in Wien informierte die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) über neue Diagnosemöglichkeiten, Behandlungsoptionen und künftige KI-Unterstützung in der Medizin, im Besondern in der Dermatologie.
Immer mehr Hauterkrankungen bei zunehmend älter werdender Bevölkerung
Hauterkrankungen zählen zu den häufigsten Behandlungsgründen in der medizinischen Versorgung. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung hat innerhalb eines Jahres Kontakt mit einem Hausarzt. In einer Umfrage mit 44.600 Teilnehmern in Europa hatten 48 Prozent der Menschen über 18 Jahre zumindest eine Hauterkrankung . Die häufigsten Erkrankungen waren Pilzinfektionen der Haut, atopische Dermatitis, Haarausfall und Akne.
„Diese und andere Hauterkrankungen wie Hauttumore werden ebenso wie die Kosten für die Versorgung mit der immer älter werdenden Bevölkerung zunehmen. Es besteht ein stetig steigender Kostendruck im Gesundheitssystem durch immer bessere, aber auch teurere Medikamente“, sagt ÖGDV-Präsident Univ.-Prof. Dr. Johann W. Bauer und führt als Beispiele die Immuntherapie bei Melanom und Biologika-Therapien bei Psoriasis und atopischer Dermatitis an. Im Fachgebiet „Dermatologie und Venerologie“ würden daher innovative Ansätze in der Präzisionsmedizin und Digitalisierung“ besonders schnell umgesetzt, so Bauer, „da in unserem Fach der Effizienzdruck besonders hoch ist“.
Neue Behandlungsoptionen für atopische Dermatitis, die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung
Die atopische Dermatitis (AD) ist die häufigste chronisch-entzündliche Hauterkrankung und durch starken Juckreiz, wiederkehrende ekzematöse Läsionen und einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität gekennzeichnet. „Die Behandlung von mittelschweren bis schweren Formen der atopischen Dermatitis stellt häufig eine Herausforderung dar“, sagt OÄ Dr. Christine Bangert von der Universitätsklinik für Dermatologie an der Medizinische Universität Wien. „Topische Kortikosteroide oder Calcineurininhibitoren reichen oft nicht aus, um eine Krankheitskontrolle zu erzielen und der Off-Label-Einsatz von systemischen Immunsuppressiva ist mit zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen verbunden“, erklärt Bangert und führt weiter aus: „Neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie der AD haben es ermöglicht, moderne Behandlungsoptionen zu entwickeln, die selektiv auf krankheitsverursachende Pfade abzielen und diese blockieren.“
Diese zielgerichteten Therapiemöglichkeiten umfassen einerseits Biologika, die mittels Antikörper einen relevanten Botenstoff blockieren und andererseits die sogenannten „small molecules“, die über eine etwas breitere Blockade der wichtigsten Signalwege in der AD zu einer Verbesserung der Erkrankung führen können. Diese Verfügbarkeit unterschiedlicher Medikamentengruppen erleichtert in Zukunft präzisionsmedizinische Patiententherapien.
Analyse von Muttermalen künftig mit KI-Unterstützung
KI-Algorithmen sind heute in der Lage, riesige Mengen an Daten deutlich schneller und genauer verarbeiten, als es der Mensch kann. Univ.-Prof. DDr. Wolfram Hötzenecker von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie am Kepler Universitätsklinikum Linz sagt: „Dieses System funktioniert optimal für repetitive Aufgaben, wie zum Beispiel die Analyse von (Haut-)Bildern, zum Beispiel bei Muttermalen und Gewebsschnitten. KI-basierte Systeme werden daher zukünftig die Arbeit von Dermatologen unterstützen und eine starke Effizienzsteigerung erzielen.“
Unter einer Sekunde: hochauflösender, digitaler 3D-Ganzkörperscan
Der digitale 3D-Körperscan erlaubt eine standardisierte, hochauflösende stereophotographische Ganzkörpererfassung mit der Möglichkeit einer exakten Kartierung und qualitativen wie quantitativen Analyse von Hautläsionen. „Dabei benötigt die Aufnahme der gesamten Hautoberfläche weniger als eine Sekunde, was den Untersuchungsaufwand für PatientInnen im Vergleich zu seriellen Fotografien signifikant reduziert und Verlaufskontrollen stark vereinfacht“, erklärt a.o. Univ.-Prof. Dr. Martin Laimer, Leiter der Österreichischen Akademie für Dermatologische Fortbildung (OEADF). Diese Technik bietet zudem die Möglichkeit der Integration telemedizinischer Anwendungen und insbesondere die Anbindung an automatisierte Bildverarbeitungs- und Analysealgorithmen. „Die KI-unterstützte Integration klinischer, makroskopischer, mikroskopischer und molekularer Daten wird unsere diagnostische und therapeutische Präzision im Sinne der personalisierten Medizin weiter verbessern“, sagt Laimer.
Erster Mensch mit 80 Prozent genkorrigierter Haut
Als Beispiel für den rasanten Fortschritt in der Dermatologie nennt Bauer die Behandlung eines 7-jährigen Schmetterlingskindes mit einem schweren Verlauf auf einer Kinderintensivstation eines deutschen Universitätsklinikums: Der Zustand des Kindes hatte sich graduell verschlechtert, deshalb wurde bei diesem Kind erstmalig eine Ganzkörper-Hauttransplantation mit genkorrigierten Hautzellen in Erwägung gezogen. Dazu wurden von der verbleibenden Haut Oberhautzellen entnommen, die Zellen expandiert und mit einem retroviralen Vector genkorrigiert. Daraus entstehende Hauttransplantate wurden sequenziell nach Abtragung der alten Haut transplantiert. Acht Monate später zeigte sich ein gutes Einwachsen und gute Produktion des neuen retroviral produzierten Proteins. In der 5-jährigen Nachbeobachtung zeigte sich eine gute Funktionalität der genkorrigierten Haut hinsichtlich Pigmentierung, transepidermalem Wasserverlust und der Empfindung von Kälte- und Wärme sowie mechanischem Schmerz . „Die Behandlung zeigte, dass die Langzeitkorrektur der genetischen Veränderungen bei Schmetterlingskindern möglich ist“, sagt Bauer.
Neu in Österreich: Ausbildung für Allergologie-Spezialisten
Auch aus der dermatologischen Ausbildung gibt es Neues zu berichten: Seit Juli 2021 ist in Österreich die Weiterbildung zum Spezialisten für Allergologie möglich. Diese Maßnahme soll längerfristig die Versorgung von Allergikern in Österreich auf höchstem Niveau sicherstellen.
Allergien haben sich zu einer Volkskrankheit entwickelt. Laut der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2019 rangieren allergische Erkrankungen wie Heuschnupfen, Nahrungsmittel-, Hausstaubmilben- oder Insektengiftallergien nach Rückenschmerzen auf Platz zwei der häufigsten chronischen Krankheiten. Zumindest zwei Millionen Menschen leiden in Österreich an einer Allergie – Tendenz seit vielen Jahren stetig steigend. Mit der kontinuierlichen Zunahme an allergiegeplagten Menschen wächst naturgemäß auch der Bedarf an Spezialisten, die mit den vielfältigen Diagnose- und Therapie-Möglichkeiten dieser Erkrankungsform vertraut sind.
Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) ist eine gemeinnützige medizinische Fachgesellschaft und hat ihren Sitz in Wien. Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der wissenschaftlichen Entwicklung und der praktischen Umsetzung des Fachgebietes der Haut- und Geschlechtskrankheiten einschließlich seiner Spezialdisziplinen; das sind Allergologie, Angiologie/Phlebologie, Dermatohistopathologie, Immundermatologie, dermatologische Genetik, operative Dermatologie, dermatologische Onkologie, Proktologie, dermatologische Kosmetologie, Photobiologie und dermatologische Laser- und Strahlentherapie, dermatologische Labordiagnostik, dermatologische Mikrobiologie, die klassischen Geschlechtskrankheiten und die anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD), physikalische Dermatotherapie, psychosomatische Dermatologie, Umweltmedizin, das Gutachterwesen sowie die Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation im gesamten Gebiet.
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