Roggendorf/Pulkau (pts024/18.02.2022/12:00) – Von vielen der 372 ehemaligen NS-Lagerorten in Niederösterreich gibt es heute kaum mehr bauliche Überreste, vielfach ist die Geschichte in Vergessenheit geraten. Am Beispiel des Granitsteinbruchs in Roggendorf/Pulkau werden inter- und transdisziplinäre Zugänge in einer Verbindung von Kunst, Wissenschaft und digitalen Technologien in einem partizipativen Prozess mit der Bevölkerung entwickelt, die als Blaupause für ähnliche Projekte dienen sollen.
Wie kann eine Erinnerungskultur etabliert werden, wenn bauliche Zeugen vergangener Zeiten kaum oder nicht mehr vorhanden sind? Woran lässt sich anknüpfen, wenn das Wissen über die Orte fragmentiert ist und manche Aspekte der Geschichte nicht mehr zugänglich sind? In den Jahren 2020/21 identifizierte das Bundesdenkmalamt in Österreich insgesamt 2115 ehemalige NS-Lagerorte. Heute sind viele dieser ehemaligen Lager nicht oder kaum mehr als solche erkennbar, materielle Spuren wurden vielfach abgetragen, überbaut, umformt. Diese Standorte sind heute oft Brachland oder werden von Wohnsiedlungen, Parkplätze sowie Freizeitanlagen verdeckt. Dort, wo noch Gebäude bestehen, wurden diese mit anderen Funktionen belegt. Das Wissen um die Geschichte dieser belasteten Orte gelangte nur selten in das regionale und lokale Gedächtnis, die Zeitzeug_innen fehlen vielerorts.
Neue Zugänge und partizipative Wissensgenerierung
Das Projekt „Spuren lesbar machen im NS-Zwangsarbeitslager Roggendorf/Pulkau – Labor zu Kunst, Partizipation und digitalen Räumen“ setzt sich mit der Geschichte des Granitsteinbruchs in Roggendorf/Pulkau auseinander. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden hier ab 1941 sowjetrussische Kriegsgefangene und polnische sowie ukrainische Zwangsarbeiter_innen eingesetzt, ab November 1944 kamen jüdische Zwangsarbeiter_innen aus Ungarn dazu.
Mit neuen künstlerischen Formaten und Praxen des Erinnerns, Lesbarmachens und Vergegenwärtigens werden Wege zu einer neuen Erinnerungskultur unter Einbeziehung einer partizipativen Wissensproduktion vor Ort erarbeitet. Auf diesem Weg sollen vergessene Orte mit belasteter Geschichte im digitalen Raum sichtbar werden. Zum einen setzt das Projekt auf interdisziplinäre Zugänge, in denen Kunst, Wissenschaft (Humanities und Digital Humanities, Zeitgeschichte und Digital Memory Studies) sowie Digital / Creative Media Technologies zusammenwirken. Diese Ansätze werden erweitert zur Transdisziplinarität, indem sie zum anderen verbunden werden mit einer partizipativen Wissensproduktion mit den lokalen Communities. Im konkreten Fall gehören zu den lokalen und regionalen Projektpartnern die Stadtgemeinde Pulkau, der Kulturverein „Bildung hat Wert. Pulkau“, das Krahuletz Museum Eggenburg, das Museum Retz, das Museum Horn. Weitere lokale Vereine und Initiativen werden zur Mitarbeit eingeladen. Daraus entstehen wichtige Impulse für die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Ort.
Blaupause für Erinnerungsprojekte
Der partizipatorische Charakter des Projektes zeigt sich auch darin, dass die Projektergebnisse open access zugänglich gemacht werden. Die in diesem Pilotprojekt entwickelten Leitfäden, Vorlagen und erprobten Tools können von interessierten lokalen Communities, Kulturinstitutionen, Bildungseinrichtungen und Schulen schnell und unkompliziert für die Schaffung neuer digitaler Räume für weitere Orte mit belasteter NS-Geschichte benutzt werden.
Informationsveranstaltung Termin: 25. Februar 2022 Beginn: 17 Uhr (Einlass ab 16 Uhr) Ort: Stadtsaal, Bahnstraße 4, 3741 Pulkau
Projekt-Website: https://www.spurenlesbarmachen.at
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Aussender: Universität für Weiterbildung / Donau-Universität Krems Ansprechpartner: Ass.-Prof. Dr. Edith Blaschitz E-Mail: edith.blaschitz@donau-uni.ac.at Website: www.donau-uni.ac.at/de/forschung/projekt/U7_PROJEKT_4294970613