„Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“

Schwalbach (pts023/01.06.2016/11:00) – Gegen Kinderlähmung wurde in den 1960er Jahren mit dem Slogan wie er im Titel genannt ist, geworben. Dieser Slogan der Impfkampagne gegen Poliomyelitis legte 1962 den Grundstein dafür, dass die WHO im Jahr 2002 Europa für poliofrei erklären konnte.

1961 wurde der Bundesrepublik Deutschland die höchste Polio-Rate in ganz Europa attestiert. Ein trauriger Rekord, denn gerade in dem Jahr war eine schwere Polio-Epidemie mit 4.600 Erkrankten, über 3.300 Gelähmten und 272 Toten zu Ende gegangen.

Vorreiter Bayern

Im Februar 1962 war es Bayern als erstes Bundesland, das die Schluckimpfung mit einem Lebendimpfstoff kostenlos und auf freiwilliger Basis für alle Menschen ab 6 Monaten bis 40 Jahren durchführte. Der tiefgekühlte Impfstoff wurde mit einem Sonderflugzeug vom Nationalen Gesundheitsinstitut aus den USA eingeflogen. Drei Tropfen des neuen Polio-Impfstoffes wurden auf einen Würfel Zucker gegeben und so geschluckt. Innerhalb eines Jahres sank die Zahl der Neuerkrankungen um 90 Prozent. Der Siegeszug der süßen Impfung nahm Fahrt auf. Die Werbekampagne mit dem Slogan „Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“ ging durch Fernsehen, Rundfunk, Presse und wurde durch Plakate und Merkblätter unterstützt.

Kombiimpfung statt Schluckimpfung

Im Jahr 1990 gab es in Deutschland den letzten Fall von Kinderlähmung. Danach kam es 1992 nur noch zu importierten Erkrankungen – die Betroffenen hatten sich in Indien und Ägypten angesteckt. Zur Vermeidung von Kinderlähmung durch Einschleppung wird bis heute noch gegen Polio geimpft. Der Impfstoff wird aber nicht mehr geschluckt, sondern ein Totimpfstoff wird mit einem Piks meist als Kombinations-Impfung, z.B. gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten in den Oberarm- oder Oberschenkel injiziert.

Im Jahr 2002 war es dann soweit: Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte ganz Europa für poliofrei!

Das Ziel: Weltweit kein Polio mehr

Kinderlähmung ist zwar mittlerweile aus Europa, Amerika und Afrika verbannt, aber das Ziel „Eine Welt ohne Polio“ ist noch nicht ganz erreicht. Endemiegebiete für Polioviren sind bis heute Afghanistan und Pakistan.

In einigen der Länder, die noch die Schluckimpfung mit dem Lebendimpfstoff durchführen, treten vereinzelt Poliofälle durch die Impfviren auf. Daher stellen über 80 Länder seit 2015 vom Lebendimpfstoff auf den injizierbaren Totimpfstoff um. Die Versorgung dieser Länder mit diesem Iimpfstoff wird von der WHO mit hoher Wichtigkeit vorangetrieben.

Wie das Beispiel Polio zeigt, kann das Impfen erfolgreich sein – vorausgesetzt die Durchimpfungsrate ist hoch genug, um eine Herdenimmunität aufzubauen. Denn wenn viele geimpft sind, können sich Erreger nur begrenzt ausbreiten und Menschen, die nicht geimpft sind oder nicht geimpft werden können, werden durch die Gemeinschaft geschützt.

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