Wien (pts010/10.08.2016/12:00) – Cloud-Computing ist bei den KonsumentInnen angekommen. Viele der Services, die wir heute alltäglich und selbstverständlich auf unseren Smartphones verwenden, wie beispielsweise soziale Netzwerke, Routingdienste oder Dokumentenablagen, wären ohne hochverfügbares und performantes Cloud-Computing nicht umsetzbar. Unter dem Begriff der Cloud vereinen sich eine Vielzahl an Konzepten und Komponenten, wie zentrale Bereitstellung von Speicherlösungen oder Rechenkapazität.
Je nach Verwendungszweck können diese Services in genau jenem Umfang bezogen werden, wie sie für den jeweiligen Anwendungsfall benötigt werden. Die Idee dahinter ist, für den Bezieher, die Bezieherin von Cloud-Services den exakt benötigten Serviceumfang bereitstellen zu können, ohne selbst die dazu notwendige Infrastruktur inklusive Verwaltungseinrichtungen vorhalten zu müssen. Massive Kosteneinsparungen und gänzlich neue und hochintegrierte Anwendungen, die den Nutzen für die Anwenderinnen und Anwender maximieren, werden dadurch ermöglicht.
Die Verwaltung sucht seit langem Wege, um die steigenden Kosten im Bereich der IKT-Infrastruktur zu reduzieren. Erste Lösungen ermöglichte die Virtualisierung von Rechenzentren, gefolgt von der Konsolidierung von IKT-Services auf höheren Ebenen. Österreich verfolgte bereits früh das Konzept, Basisdienste zentral anzubieten – ein Element der E-Government Strategie, die Österreich wiederkehrend im internationalen Vergleich Plätze an der vordersten Front ermöglicht hat. Es ist eine unvermeidliche, nachvollziehbare und richtige Entwicklung, dass sich die Österreichische Verwaltung intensiv mit der Einführung einer Verwaltungs-Cloud beschäftigt. Die Sicherheit muss dabei an erster Stelle stehen und wird bestätigt durch die Forderung als prioritäre Maßnahme des Kompetenzzentrums Internetgesellschaft (1).
Bei genauerer Betrachtung ist die Umsetzung einer Verwaltungs-Cloud allerdings alles andere als eine einfach und schnell umzusetzende Maßnahme. Sämtliche der bekannten Cloud-Anbieter haben ihren Firmensitz in Ländern, für welche die Annahme eines gleichwertigen oder höheren Datenschutzniveaus, wie dies für Österreich bzw. die Europäischen Union festgestellt werden kann, nicht oder nicht mehr zutrifft. Außerdem stehen einer Entscheidung für die Nutzung eines internationalen Cloud-Anbieters auch wirtschaftspolitische Abwägungen entgegen, denn das notwendige Wissen zum Aufbau einer Cloud wird dann ebenfalls in diesen Ländern anwachsen. Österreich und Europa begeben sich damit in eine Abhängigkeit von IKT-Dienstleistern, die mittel- bis langfristig das eigene Entwicklungspotential im IKT-Bereich einschränken.
Bereits 2011 wurde durch die Arbeitsgruppe Cloud der BLSG ein Positionspapier vorgelegt, in welchem strategische Schritte in Richtung einer Verwaltungs-Cloud vorgezeichnet werden. Darin wird das Ziel verfolgt, durch den Zusammenschluss bestehender Rechenzentren der Verwaltung eine Community Cloud zu schaffen, also die Vernetzung und gemeinsame Nutzung der verwaltungseigenen Systeme und Ressourcen (2). Österreich wird dabei aber keinen Alleingang vornehmen können, zu komplex ist die Thematik und zu umfangreich das erforderliche Wissen für die Umsetzung der Österreichischen Verwaltungs-Cloud. 2012 wurde von der Europäischen Kommission die Cloud-Computing Strategie veröffentlicht und deren Realisierung durch eine Reihe von Maßnahmen unterstützt. Eine dieser bedeutenden Maßnahmen ist FIWARE (3), von manchen als die „Europäische Cloud“ bezeichnet.
FIWARE
Die ADV hat bereits in zwei Veranstaltungen (11.11. 2015, ADV-Tagung „FIWARE – Die Reise in die Zukunft!“ und 15.4. 2016, „FIWARE-Workshop – FIWARE kennenlernen und nutzen“) sowie in Fachartikeln auf FIWARE aufmerksam gemacht. Dennoch ist FIWARE als Begriff noch weitgehend unbekannt. Konfrontiert man IKT-nahe VerwaltungsmitarbeiterInnen oder GründerInnen von IT-Startups mit diesem Begriff, wissen die wenigsten, welche Funktionalitäten sich hinter FIWARE verbergen. Das liegt zum einen daran, dass FIWARE wesentlich mehr als nur eine technische Infrastruktur einer Cloud-Umgebung ist. Bei einem Investitionsvolumen von 400 Millionen Euro (4) lohnt es sich jedenfalls genauer hinzusehen, was FIWARE bieten kann.
Grundlegend können diese Elemente unterschieden werden: Die FIWARE-Plattform, eine Cloud-Computing Infrastruktur, die auf Openstack (5) basiert, unter dem Begriff FIWARE Lab (6) eine kohärente gemeinsame Verwaltungsoberfläche bietet und deren Services von FIWARE Ops (7), eine Sammlung an Werkzeugen die die Bereitstellung von FIWARE-Instanzen durch Betreiber ermöglicht. Aktuell (Juni 2016) bieten 13 Knoten in Europa und Brasilien FIWARE-Dienste an.
Daneben gibt es eine Reihe von Initiativen, welche den Umgang mit der FIWARE-Plattform unterstützen sollen, allen voran FIWARE Accelerate. FIWARE Accelerate (8) unterstütze mit 80 Millionen Euro Entwicklerinnen und Entwickler bei der Ideenfindung, Konzeption, Umsetzung und Vermarktung ihrer Lösungen auf der FIWARE-Plattform.
Aktuell kann von jedermann ein Zugang zur FIWARE-Plattform beantragt werden. Während der Basic-Account nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten bietet, kann ein Community-Account beantragt werden. Nach Beschreibung der erforderlichen Ressourcen und der zur Umsetzung beabsichtigten Lösung wird für die Dauer von neun Monaten ein kostenfreier Community-Account zugewiesen, der das volle Leistungsspektrum der FIWARE-Plattform bietet.
Die IT-Infrastruktur von FIWARE
Grundlegend bietet die FIWARE IT-Plattform zwei Zugänge zur Realisierung von Lösungen. In der horizontalen Integrationsebene werden Speicher, Rechenleistung und Basis-IKT Dienste, wie Messaging zwischen verteilten IKT-Komponenten oder sicheres Anmelden für Anwendungen angeboten. In der vertikalen Integrationsebene steht der unmittelbare Anwendungsfall im Vordergrund, hier bieten vorkonfigurierte Komponenten jene Services an, die für eine Smarte Stadt, das Internet der Dinge oder mobile Anwendungen erforderlich sind.
Der Einstieg wird dem typischen Startup allerdings damit nicht wirklich einfach gemacht. Die für Startups so wichtigen Komponenten der Middleware werden in den von FIWARE als generic enablers bezeichneten Basisbausteinen nämlich nicht intuitiv angeboten: Datenbankdienste oder Messaging zwischen Komponenten rücken, anders als bei bekannten Cloud-Diensteanbietern zu Gunsten der genannten Hype-Themen in den Hintergrund. Weiters findet sich die Anleitungen zur Umsetzung des eigenen Webauftritts, Bereitstellung bestehender Anwendungen in der Cloud Umgebung von FIWARE oder Realisierung einer einfachen Zugriffskontrolle weitläufig verteilt auf verschiedenen Informationskanälen zur Hilfestellung und gestalten den Einstieg damit schwierig.
Kritik
Die FIWARE-Umgebung spiegelt an diesen Stellen ein wenig zu offensichtlich das IKT-Bild der Konsortialmitglieder wieder, die Lösungen im aktuell vieldiskutierten Bereich von Big Data, Smart City und Internet der Dinge anbieten. Die Vielzahl an Software-EntwicklerInnen, welche die FIWARE-Plattform ansprechen sollte, um deren kreatives Potential in Europa zu behalten, haben allerdings nicht die Smartness einer Stadt bei der unmittelbaren Konzeption einer Lösung im Hinterkopf. Sie starten mit wesentlich beschaulicheren Herausforderungen, wie beispielsweise einer mobilen Routing-Anwendung auf Basis offener Daten, der Darstellung von frei verfügbarem Obst im öffentlichen Bereich oder wo die nächste öffentliche Toilette zu finden wäre. Diese Gruppe an EntwicklerInnen müsste FIWARE zukünftig mit einem brauchbaren Angebot ansprechen. Durch deren Vernetzung können in Summe kreative, innovative und smarte Lösungen entstehen. Der Ansatz, die Smartness selbst als Service anzupreisen, erscheint ein wenig hochgegriffen.
FIWARE für die Verwaltung?
FIWARE basiert im Kern auf einer Sammlung von herstellerneutralen Komponenten, die offene Standards zur Interaktion, Kommunikation und Erweiterung unterstützen. Der von vielen Verwaltungen befürchtete Vendor lock-in wird bei sorgfältiger Auswahl der Komponenten vermieden. Anwendungen können so erstellt werden, dass sie exklusiv auf einem der 13 angebotenen Knoten ausgeführt werden oder, je nach Sicherheits- und Performanceanforderung der Lösung, dynamisch die Rechenkapazität mehrerer Knoten verwendet. Die Plattform ist in ihrer Gesamtheit offen – jede europäische Verwaltung kann sich am Betrieb beteiligen oder aber einen eigenen Knoten zum Hosting von Verwaltungsdiensten betreiben. Das jetzt Aufgebaute und im Aufbau befindliche Know-how im Umgang mit FIWARE durch Teststellungen, Start-Ups und Accelerator-Programmen, gesichert durch das FIWARE Konsortium, steht bei Bedarf der Verwaltung zur Verfügung, um selbst kostengünstig und in einer vielversprechenden Umgebung Erfahrungen im Umgang mit einer öffentlichen Cloud zu machen.
Indem Bürgerinnen und Bürger ebenfalls Zugang zu dieser Technologie haben, besteht die wahre Chance, die Fähigkeiten von SoftwareentwicklerInnen, Entrepreneurs, UmsetzerInnen, HackerInnen und Interessierten auch für die Verwaltung nutzbar zu machen. FIWARE ist (noch) kostenfrei und der Support durch die 13 FIWARE-Knoten gesichert. Nicht auf FIWARE zu setzen, würde bedeuten, bewusst die Chance auf eine europäische Cloud zu verwirken.
Die ADV bleibt am Thema FIWARE für Sie dran.
Weiterführende Weblinks zu mit Zahlen ausgewiesenen Textstellen: (1) https://www.kig.gv.at/massnahmen/dritter-prioritaetenkatalog.html (2) http://bit.ly/28Xqsmj (3) https://www.fiware.org/ (4) http://bit.ly/28Yyk7m (5) http://www.openstack.org/ (6) http://www.fiware.org/lab/ (7) http://www.fiware.org/fiware-operations/ (8) http://www.fiware.org/accelerators/
(Ende)
Aussender: Arbeitsgemeinschaft für Datenverarbeitung Ansprechpartner: Mag. Michaela Brank Tel.: +43 1 533091371 E-Mail: office@adv.at Website: www.adv.at