Musik kann Schmerzbehandlung wirkungsvoll unterstützen

Wien/Zell am See (pts026/11.05.2017/11:50) – Wenn begeisterte Fans ihre Musik als „Droge“ bezeichnen, liegen sie damit gar nicht so falsch. „Musik entspannt und verbessert die Stimmung“, sagt Univ.-Prof. Dr. Günther Bernatzky, Dozent an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg und Präsident der Jahrestagung der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG) in Zell am See (11. bis 13. Mai 2017). „Dabei werden auch eine ganze Reihe körpereigener Hormone aktiviert.“ So sorgen schon ein paar Takte harmonischer Musik für die vermehrte Ausschüttung der Glückshormone Serotonin und Dopamin. Zudem steigt auch der Oxytocin-Spiegel, der unter anderem für die Glücksgefühle während des Stillens sorgt. Gleichzeitig ist bereits nach wenigen Minuten deutlich weniger vom Stresshormon Cortison im Blut nachweisbar.

Dass sich diese wohltuende Wirkung auch zur Behandlung diverser Leiden nutzen lässt, war schon in der Antike bekannt. So ließ etwa der alttestamentarische König Saul gerne den Harfenspieler David zur Linderung seiner Schwermut herbeirufen. Auch in der griechischen Medizin setzten Ärzte Heilgesänge ein, um Leiden zu mildern.

ÖSG: Kongress-Schwerpunkt „Nichtmedikamentöse Schmerztherapie“

Was damals aus reiner Intuition geschah, lässt sich mittlerweile wissenschaftlich gut belegen: „Zwar wissen wir noch nicht genau, auf welchen Wegen Musik im Einzelnen wirksam wird, dennoch zeigen viele neue Studien, dass bereits das selektive Hören von bestimmter standardisierter Musik sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzen oder bei Parkinson bzw. bei Stress eine deutliche Verbesserung bringt“, fasst Prof. Bernatzky den Stand der noch jungen Forschung zu diesem Thema zusammen.

Für die ÖSG sind diese Erkenntnisse Grund genug, dem Thema auf der bevorstehenden Jahrestagung einen eigenen Schwerpunkt zu widmen. „Alle unsere bisherigen Studien zeigen, dass moderne Therapiemethoden sich nicht auf die rein medikamentöse Therapie allein beziehen sollten. Auch in ihrer Wirkung verifizierte Komplementärmethoden wie zum Beispiel die Musikstimulation sollten eingesetzt werden“, so Schmerzexperte Prof. Bernatzky.

Musik als wirksames Schmerzmittel

Wie wirksam ein paar Takte Musik sein können, zeigte sich etwa in einer Studie mit 65 Patienten, die an schmerzhaften Wirbelsäulensyndromen litten. Alle wurden zwar mit den gleichen Medikamenten und einer standardisierten Physiotherapie behandelt, die Hälfte der Patienten bekam aber zusätzlich noch einen CD-Spieler und Kopfhörer ausgehändigt. Damit hörten sie täglich 25 Minuten Musik und eine vorangestellte Entspannungsanleitung. Nach drei Wochen waren die Unterschiede signifikant: Während die Schmerzen in der Musik-Gruppe durchschnittlich um 50 Prozent reduziert werden konnten, war in der Kontrollgruppe ein Rückgang von nur zehn Prozent messbar. Ebenso hatte sich auch die Schlafqualität der Musikhörer deutlich stärker verbessert.

Musikbegleitung in der Therapie senkt Arzneimittelbedarf

In einer anderen Arbeit, die im Krankenhaus Hallein durchgeführt wurde, konnte gezeigt werden, dass bei Patienten, die am Tag vor sowie rund um eine Operation Musik und Entspannungsanleitung hörten, der Verbrauch von Schmerzmitteln um 54 Prozent und jener an Schlafmitteln um 63,6 Prozent sank. Dabei war das Wohlbefinden in der Musikgruppe signifikant größer.

Zusätzliche Dopamin-Dosis lindert Parkinson-Symptome

Aufsehenerregend waren auch die Ergebnisse einer Studie mit insgesamt 63 Parkinsonpatienten. Dabei zeigte sich, dass bereits unmittelbar nach Aufsetzen der Kopfhörer das Zittern nachließ und sich die Gangrhythmizität signifikant verbesserte. Zudem besserten sich auch die Angstzustände der musikhörenden Patienten. „Das Hormon Dopamin, das bei Parkinsonpatienten zu wenig vorhanden ist, wird beim Hören von stark rhythmisch akzentuierter Musik im Hirn vermehrt produziert und lindert das Zittern und verbessert die Gangprobleme“, erklärt Prof. Bernatzky.

Musik-CD aus der Apotheke

Welche Art von Musik diese heilsame Wirkung entfaltet, hängt zwar auch von individuellen Vorlieben ab – dennoch gibt es verallgemeinerbare Muster: Klassische Musik wirkt auf viele Menschen beruhigend, Rock und Pop hingegen haben einen anregenden Effekt und mildern die Wirkung der klassischen „Immunkiller“ wie Stress oder Müdigkeit. Lady Gagas Single „Alejandro“ oder der U2-Hit „Beautiful Day“ haben eine stimmungsaufhellende und leistungssteigernde Wirkung. Die wissenschaftliche Erklärung dafür liegt im Tempo der Lieder: „Normale Körperfunktionen laufen bei 72 Herzschlägen pro Minute ab. Bei einem Tempo von mehr als 72 beats per minute wirkt Musik aufputschend, bei weniger wirkt Musik dagegen beruhigend“, erklärt Prof. Bernatzky.

Das Programm, das er zusammengestellt hat, ist unter dem Titel „Entspannung bei Schmerzen“ nicht nur im Buchhandel, sondern auch in Apotheken verfügbar (ISBN-Nr: 973-3-9502441-1-3). „Ein ein- bis zweimal tägliches Hören dieser standardisierten speziellen Musik fördert den Behandlungserfolg einer multifaktoriellen Schmerztherapie um bis zu mehr als 40 Prozent“, fasst Prof. Bernatzky die Erfahrungen des klinischen Einsatzes seiner Playlist zusammen. „Darüber hinaus waren weniger Medikamente notwendig, wodurch Nebenwirkungen gesenkt und Kosten verringert wurden.“

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