Next Generation Sequencing und die Flüssigbiopsie werden zum Standard

Wien (pts023/13.09.2017/14:00) – „Es tut sich derzeit enorm viel in der molekularpathologischen Diagnostik. Inzwischen ist in rund einem Drittel aller Fälle in der Onkologie die molekulare Analyse entscheidend für die Auswahl der Therapie. Unser Ziel sind 100 Prozent“, so Univ.-Prof. Dr. Gerald Höfler (Vorstand des Instituts für Pathologie der Medizinischen Universität Graz; Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pathologie) bei einem Pressegespräch. „Es sollte also bei möglichst allen Patientinnen und Patienten mit Krebs vor Therapiebeginn möglich werden, dank des Einsatzes von Tools der Pathologie präzise zu wissen, welche Behandlungsform im konkreten Fall die individuell richtige ist. Diesen Weg zu einer echten personalisierten Medizin gehen wir konsequent weiter.“

Zwei Stichwörter sind hier Next Generation Sequencing und Flüssigbiopsie („Liquid Biopsy“). „Beide halten gegenwärtig Einzug in die breite Diagnostik und werden zum Standard“, sagt Prof. Höfler.

Flüssigbiopsie wird die herkömmliche Untersuchung zunehmend ergänzen

In der herkömmlichen molekularen Diagnostik wird Patienten Gewebe entnommen und dann dessen RNA oder DNA isoliert. Die größte Fehlerquelle ist, dass nicht das richtige Gewebe, also Tumorgewebe, für die Analyse verwendet wurde, so Prof. Höfler. Entscheidend sei, dass der Fachmann (Pathologe) die Auswahl trifft. Die Flüssigbiopsie umgeht das Problem der Gewebeentnahme, indem sie Tumorzellen analysiert, die in das Blut ausgeschwemmt werden.

Die Flüssigbiopsie erspart zunächst einmal Patienten den zur Gewebeentnahme nötigen kleinen chirurgischen Eingriff. Sie bietet zum Beispiel bei besonderen Fragestellungen den Vorteil, dass sie häufig – zur Verlaufskontrolle – wiederholt werden kann, ohne den Patienten zu belasten. Das kann bei Metastasen eine Rolle spielen oder bei der Frage, ob der Tumor sein genetisches Profil verändert hat. Tumoren sind oft sehr anpassungsfähig, und die Flüssigbiopsie hilft dabei, die Therapie nötigenfalls umzustellen. Tumoren können zum Beispiel Resistenz gegen eine bestimmte Chemotherapie entwickeln, und das sieht man anhand von Veränderungen seiner DNA.

„Standardmäßig wird die Flüssigbiopsie heute beim Lungenkrebs eingesetzt. Z.B. beim Malignen Melanom und beim Prostatakrebs ist sie derzeit noch in Erprobung. Der Weg der Flüssigbiopsie in den Mainstream und zur breiten Anwendung ist jedoch vorgezeichnet“, so Prof. Höfler. „Sie wird die herkömmliche Untersuchung zunehmend ergänzen, aber nicht ersetzen. Ist ein Tumor noch sehr klein, dann gibt er oft noch keine DNA ab. Entdeckt werden kann er dann nur mittels herkömmlicher Krebsvorsorge durch Zelluntersuchungen von Gewebeproben, z.B. bei der Darmspiegelung) – diese bleibt also aus heutiger Sicht unersetzlich.“

Next Generation Sequencing hat Diagnostik und Versorgung radikal verändert

Next Generation Sequencing (NGS) hat bereits in die breite Diagnostik Eingang genommen und ist heute Standard z.B. beim Dickdarmkrebs, beim Melanom, beim Lungenkrebs und bei Leukämie, berichtet Prof. Höfler. DNA-Sequenzierung ist die Bestimmung der Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül. Grundlage einer genetischen Diagnose ist die DNA-Analyse der Zelle. Bei bösartigen Tumoren treten hier typische Anomalien auf. Die Erbinformation wird mittels Sequenzierung analysiert, indem sie in Bestandteile zerlegt wird. Ursprünglich wurde jeder Gen-Abschnitt einzeln analysiert, was allerdings zeitaufwändig und kostspielig ist.

In den vergangenen Jahren wurden innovative Methoden der Hochdurchsatz-Sequenzierung entwickelt, die unter dem Begriff Next-Generation Sequencing zusammengefasst werden. Sie fußen auf dem Konzept der massiven parallelen Sequenzierung von Millionen DNA-Fragmenten in einem einzigen Sequenzier-Lauf. Heute sind bereits millionenfache Parallel-Sequenzierung von DNA­Fragmenten in einem vergleichsweise kleinen Tischgerät möglich, ohne dass dieser Fortschritt zu Ungenauigkeit führt – tatsächlich konnte die Sensitivität erhöht werden. Prof. Höfler: „NGS bedeutet also ein enormes Plus beim Anwendungsbereich und Umfang der Analyse, beim Tempo und der Analysegenauigkeit, und das bei geringeren Kosten.“

Digitale Pathologie

Ein drittes Stichwort ist die „digitale Pathologie“, die aber derzeit noch Zukunftsmusik sei, so Prof. Höfler. Darunter versteht man den zunehmenden Einsatz informationstechnischer Systeme in der Pathologie, zum Beispiel die Einführung digitaler Verfahren zur Verarbeitung, Auswertung und Archivierung von Schnittpräparaten. Dazu zählt etwa der Übergang von der histopathologischen Diagnostik mit einem analogen Mikroskop zur Diagnostik am Computer, wobei Gewebeschnitte hochauflösend eingescannt und im Computer analysiert werden.

Die digitale Datenspeicherung soll auch den Zugriff auf alle Scans oder Patientenberichte ermöglichen. Das erlaubt den Vergleich von Scans mit Archivbildern, aber auch das einfach Einholen von Spezialexpertise in konkreten Fällen durch Spezialisten, die sich anderswo aufhalten.

Allerdings benötigt all das momentan noch sehr viel Speichervolumen. „Das zu verwalten, bedeutet noch eine von mehreren großen Herausforderung in der ‚digitalen Pathologie‘, der sich gegenwärtig eine Reihe von namhaften Unternehmen stellen“, sagt Prof. Höfler. „Wir gehen deshalb von einem Zeithorizont von 5 bis 10 Jahren aus, bis wir davon in großem Stil profitieren können.“

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