Berlin (pts010/12.10.2017/10:30) – Kammerflimmern bedeutet rasend schnelle, chaotische Kontraktionen des Herzmuskels, die innerhalb kürzester Zeit zum plötzlichen Herztod führen – sofern nicht rechtzeitig die elektrische Notbremse gezogen wird. Diese besteht in einem Stromstoß mit dem Defibrillator. „Je kürzer das Zeitfenster zwischen dem Beginn des Kammerflimmerns und der Schockabgabe ist, desto besser sind die Chancen des Betroffenen, das Ereignis zu überleben und dies vor allem auch ohne Folgeschäden“, sagt Prof. Dr. Hans-Joachim Trappe von der Medizinischen Klinik II der Ruhr-Universität Bochum bei den Herztagen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Berlin. Studiendaten zeigen, dass bei Patienten, die innerhalb einer Klinik Kammerflimmern entwickelten, die Überlebensrate 24 Stunden nach dem Ereignis 55 Prozent betrug, wenn der Schock maximal zwei Minuten nach dem Erkennen der Situation abgegeben wurde. Vergingen mehr als zwei Minuten, waren die Chancen signifikant schlechter.
Um solche Erfolge auch dann zu ermöglichen, wenn Personen außerhalb des Krankenhauses Kammerflimmern erleiden, wurden automatisierte externe Defibrillatoren (AED) entwickelt, die auch von Laien sicher eingesetzt werden können. Diese Geräte messen selbständig das EKG und schlagen die adäquate Intervention vor: einen vom Gerät abgegebenen Schock bei Kammerflimmern bzw. eine manuelle Herzdruckmassage bei Asystolie, um das Fehlen jeglicher Herzaktion zu überbrücken. Liegt der Bewusstlosigkeit des Betroffenen gar kein Herzproblem zugrunde, so zeigt der AED dies ebenfalls an und verabreicht keinen Schock. Prof. Trappe: „Ist in einer Erste-Hilfe-Situation ein AED verfügbar, so sollte er auch eingesetzt werden. Bis zum Anbringen der Elektroden sollten konventionelle Reanimationsmaßnahmen, also Herzdruckmassage und Beatmung, durchgeführt werden.“
Was öffentliche Defis bewirken
Weltweit – so auch in Deutschland – wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche AED-Projekte gestartet und viele öffentliche Plätze wie U-Bahnstationen, Freibäder und Sportstadien mit automatisierten externen Defibrillatoren ausgestattet. Prof. Trappe: „Angesichts der bisherigen Erfahrungen lässt sich die Frage, ob die Anschaffung einer möglichst großen Anzahl von AED ein Erfolg war, nur schwer eindeutig beurteilen.“ Einerseits zeigen Daten beispielsweise aus dem ländlichen Italien, dass die Reanimation durch Laienhelfer mit AED zu einer deutlichen Verkürzung der Zeit bis zum Beginn von Reanimationsmaßnahmen sowie zu einer Verbesserung der Ergebnisse geführt hat. Andererseits zeigen Erfahrungen aus Deutschland, dass AED nur sehr selten eingesetzt werden. So wurde etwa der Landtag von Nordrhein-Westfalen bereits 2003 mit AED ausgestattet und mehr als 50 Angestellte im Umgang mit diesen Geräten geschult, doch kam es bis heute unter mehr als einer Million Besuchern nicht zu einem einzigen AED-Einsatz. Auf dem Rhein-Main-Flughafen Frankfurt sind mittlerweile mehr als 80 Geräte verfügbar. In den Jahren 2003 bis 2015 wurden mehr als 500 Millionen Passagiere abgefertigt. Es kam bei 25 Personen zu Reanimationen unter AED-Einsatz. Das allerdings mit sehr gutem Erfolg: 16 der Reanimierten überlebten.
„Es ist unbestritten, dass der AED ein sicheres therapeutisches Konzept ist, ein gefährliches Kammerflimmern zu beenden. Auch die Handhabung eines AED ist sicher, die Schockabgaben bei Kammerflimmern adäquat und Fehlentladungen nicht möglich. Insofern wurden die Erwartungen sicher erfüllt. Es gibt aber auch nicht erfüllte Erwartungen, die zu einer spürbaren Zurückhaltung gegenüber der AED-Euphorie geführt haben“, gibt Prof. Trappe eine differenzierte Einschätzung: „Die Zahl der erwarteten AED-Einsätze war sicher höher als das im Alltag erfüllt wurde. Die Ausstattung von großen Sportstadien, Einkaufsmärkten und ähnlichen öffentlichen Orten hat bei keinen oder wenigen AED-Einsätzen zu Fragen der Kosten-Nutzen-Relation unter finanziellen Aspekten geführt. Und schließlich wurde in einzelnen Fallberichten darauf hingewiesen, dass Reanimationen nicht erfolgreich waren, weil statt unverzüglicher konventioneller Wiederbelebungsmaßnahmen erst ein AED gesucht wurde.“
Bewusstsein für Herzdruckmassage schärfen
Dennoch habe der automatisierte externe Defibrillator seinen Stellenwert, zumal mehrfach in Studien gezeigt wurde, dass öffentlich zugängliche Defibrillatoren die ansonsten schlechten Überlebenschancen von Menschen mit Kammerflimmern deutlich verbessern können, so Prof. Trappe: „Die Bemühungen sollten deshalb darauf abzielen, den Defibrillator in das allgemeine Bewusstsein zurückzuholen. Zugleich muss auch das Bewusstsein für konventionelle Maßnahmen wie die Herzdruckmassage wieder geschärft werden. Dann wird es gelingen, mehr Menschen vor einem plötzlichen Herztod zu bewahren.“
Informationen: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie Pressesprecher: Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin) Hauptstadtbüro der DGK: Leonie Nawrocki, Tel.: 030/206 444 82 Pressestelle: Kerstin Kacmaz, Tel.: 0211/600 692 43 E-Mail. presse@dgk.org
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