Wien (pts017/07.11.2018/11:00) – ÖAIE unterstützt Forderung von WHO und World Obesity nach Maßnahmen zur Vorbeugung von Übergewicht bereits im Kindesalter und schlägt konkret Erweiterung des Mutter-Kind-Passes sowie Präventionsprogramme an Schulen vor.
Weltweit leiden 124 Millionen Kinder unter Adipositas (krankhafte Fettleibigkeit). Bis zum Jahr 2025 könnte sich diese Zahl mehr als verdoppeln. Das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE) fordert eine Strategie mit konkreten Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht und Adipositas. Da die Therapie von adipösen Menschen nur in 10 Prozent aller Fälle nachhaltig erfolgreich ist, muss der Fokus auf die Vorbeugung gerichtet werden. Das ÖAIE unterstützt daher die Forderung von WHO und World Obesity nach wirksamen Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht bereits im Kindesalter. Für Österreich empfiehlt das ÖAIE die Ausarbeitung einer Präventionsstrategie, die eine Änderung von bestehenden Ernährungsgewohnheiten und die Erhöhung der körperlichen Tätigkeit zum Ziel hat, die Aufnahme von Gewichtsperzentilen im Mutter-Kind-Pass – zur Beurteilung, ob ein Kind übergewichtig geworden ist – sowie Präventionsprogramme an Schulen.
Weltweit 124 Millionen Kinder adipös: Anzahl könnte sich bis 2025 mehr als verdoppeln
Weltweit sind 50 Millionen Mädchen und 74 Millionen Buben adipös. Weitere 75 Millionen Mädchen und 117 Millionen Buben sind übergewichtig. Die Tendenz ist steigend. Die World Obesity Federation rechnet damit, dass im Jahr 2025 weltweit 267 Millionen Kinder an Adipositas leiden und sich die Anzahl der betroffenen Kinder damit mehr als verdoppelt.
Das Ausmaß der weltweiten Adipositas-Pandemie ist in internationalen Studien exakt definiert. Die WHO hat Adipositas zum größten globalen chronischen Gesundheitsproblem bei Erwachsenen erklärt. Auch die Zahlen für Österreich sind alarmierend. Rund ein Drittel aller Österreicher sind übergewichtig (32 Prozent), mehr als jeder Siebte ist adipös (14 Prozent). In beiden Fällen sind Männer häufiger betroffen als Frauen. Gemessen an ihrer Gesamtbedeutung sind Übergewicht und Adipositas die mit Abstand bedrohlichsten Formen aller ernährungsbedingten Krankheiten.
Politik ist gefordert: Therapie in 90 Prozent der Fälle ohne nachhaltigen Erfolg, daher Prävention von Adipositas bei Kindern prioritär
Die Therapie stark übergewichtiger Patienten ist extrem schwierig und kaum erfolgreich: Nur 10 Prozent der adipösen Menschen, die an Therapieprogrammen teilnehmen, können den erzielten Gewichtsverlust länger als ein Jahr halten. Deshalb fordern WHO und World Obesity konkrete, wirksame Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht bereits im Kindesalter, die auch das ÖAIE unterstützt.
Gefordert wird eine Reorganisation der Gesundheitssysteme in Richtung Gesundheits-Promotion, Vorbeugung und Kontrolle der nichtübertragbaren Krankheiten, wie Übergewicht. Dazu muss der Prävention von Fettleibigkeit bei Kindern Priorität eingeräumt werden. Es sind legislative und marktspezifische Maßnahmen nötig, wie beispielsweise eine Steuer auf gezuckerte Getränke. Zudem braucht es eine gesicherte Finanzierung für konkrete Projekte.
In Österreich bisher keine evaluierten Präventionsprogramme, ÖAIE fordert Erweiterung des Mutter-Kind-Passes
Auf der 34. Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft am 9. und 10. November in Wiesbaden ist dem Thema Adipositas-Prävention ein ganzer Nachmittag gewidmet, bei dem österreichische Projekte vorgestellt werden. In Wien selbst findet im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft am 22. und 23. November die Fachkonferenz „Unser Essen – Unsere Gesundheit: Wege zu einem gesunden und nachhaltigen Ernährungssystem in Europa“ statt, in der das Problem thematisiert wird, dass 55 Prozent – und damit mehr als die Hälfte – der europäischen Bevölkerung übergewichtig sind. In Österreich sind rund 47 Prozent der Leute von Übergewicht und Adipositas betroffen.
„Obwohl das Problem jeder sieht und es die Hälfte der heimischen Bevölkerung am eigenen Leibe spürt, sind Österreichs Anstrengungen zur Vorbeugung von Übergewicht ungenügend“, sagt Univ. Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des ÖAIE. Im Mutter-Kind-Pass, der eine gesunde Entwicklung des Kindes gewährleisten soll, gibt es keine Gewichtsperzentilen zur Beurteilung, ob ein Kind übergewichtig geworden ist. Die Daten von Größe und Gewicht der Kinder, die an Schulen erhoben werden, werden nicht ausgewertet. „Die Folge ist: Es gibt keine evaluierten Präventionsprogramme und keine evidenzbasierten Therapieangebote“, kritisiert Widhalm.
„Was wir in Österreich benötigen, ist in erster Linie ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Prävention von Übergewicht, denn Therapieprogramme setzen erst an dem Punkt an, wo es oft schon zu spät ist“, sagt Widhalm. „Den Zusammenhang zwischen gesunder Ernährung und der dadurch bedingten Entstehung oder Verhinderung von vermeidbaren Krankheiten scheinen viele noch nicht zu sehen“, so der Ernährungsmediziner.
ÖAIE fordert Strategieplan zur Vorbeugung von Adipositas und Vorbeugemaßnahmen an Schulen
Das ÖAIE fordert die Ausarbeitung einer gesamtheitlichen Strategie zur Prävention von Adipositas, die eine Änderung von bestehenden Ernährungsgewohnheiten und die Erhöhung der körperlichen Tätigkeit zum Ziel hat. Da sich die bisherigen Ernährungsempfehlungen in Form von sogenannten „Ernährungspyramiden“ sich leider als ineffektiv in Bezug auf die Änderung von bestehenden Ernährungsgewohnheiten erwiesen, bevorzugt das ÖAIE die Darstellung der Harvard Medical School – eines „gesunden Tellers“ mit vier unterschiedlich großen Anteilen von Gemüse, Obst, Vollkorn- und Eiweißprodukten. „Dass der „gesunde Teller“ am 20. Oktober dem Obersten Sanitätsrat (OSR) vorgestellt und von diesem akzeptiert worden ist, bestärkt unsere Forderung und zieht hoffentlich Maßnahmen der Politik nach sich“, sagt Widhalm. Der OSR ist ein bedeutendes Beratungsgremium der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz und setzt sich aus Expertinnen und Experten aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Pflege, Wissenschaft, Ärzte- und Apothekerkammer, Sozialversicherung und öffentlicher Gesundheitsdienst zusammen.
Neben einer sichergestellten Finanzierung braucht es die Erhebung von Daten, um evaluierte und nachweisbar wirksame Präventionsmodelle, wie das wissenschaftliche Präventionsprojekt EDDY Young zu implementieren. Dieses Projekt des ÖAIE konnte bereits nach einem Jahr beeindruckende Ergebnisse erzielen. Insgesamt 72 Schülerinnen und Schüler im Alter von 8 bis 10 Jahren erhielten über ein Jahr hindurch wissenschaftlich fundierte Ernährungs- und Lifestyle-Schulungen sowie spezielles körperliches Training durch eigens dafür geschultes Personal. In regelmäßigen Abständen wurden Tests durchgeführt, die belegen, dass die körperliche Leistungsfähigkeit und die Muskelmasse bei allen Schülerinnen und Schülern während des Interventionszeitraums deutlich zunahmen. Im Vergleich dazu konnte der alterstypische Anstieg des Körperfettanteils gebremst werden, in vielen Fällen sogar gestoppt.
Das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE) wurde 1996 auf Initiative des damaligen Präsidenten der Ärztekammer, Prim. Dr. Michael Neumann, mit dem Ziel gegründet, Ärztinnen und Ärzte im Fach der Ernährungsmedizin fortzubilden. Das ÖAIE ist interdisziplinär ausgerichtet und vereint unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Medizin, Psychologie, Ernährungswissenschaften, Diätologie, Sportwissenschaften und Nahrungsmittelproduktion. Als führende Fortbildungs- und Forschungs-Institution für Ernährungsmedizin in Österreich richtet es regelmäßig wissenschaftliche Veranstaltung aus und publiziert vierteljährlich das „Journal für Ernährungsmedizin“. Weitere Informationen unter: https://www.oeaie.org
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