Innsbruck (OTS) – Nach allem, was bekannt ist, werden sich Neutralität und Sky Shield vertragen. Die Luftabwehr ist sogar nötig, damit das neutrale Land seine Souveränität schützen kann. Die Grundfrage nach dem Sinn der Neutralität bleibt aber. Wer alt genug ist, kann sich an den Wehrigel des Bundesheeres erinnern. Die Pickerln waren Werbung für das Militär und seine Einheiten. Immer zu sehen war das stachelige Tier mit dem rot-weiß-roten Helm. Niemand soll es wagen, ihm zu nahe kommen, wollte er sagen. Wie wehrhaft der Igel jemals war, sei dahingestellt. Und in den Jahrzehnten seither nahm die Verteidigungsfähigkeit Österreichs eher ab als zu. Es brauchte erst den Überfall Russlands auf die Ukraine, damit sich die Bundesregierung besann und begann, die Stacheln wieder aufzustellen. Plötzlich ist für das Bundesheer so viel Geld da wie schon Jahrzehnte nicht. Auch der grüne Regierungspartner macht mit, seiner pazifistischen Tradition zum Trotz. Die Einkaufsliste ist lang. 18 Milliarden Euro sind verplant. Weitere Milliarden wird die Langstrecken-Luftabwehr kosten. Wenn nicht eine künftige Regierung wieder einen anderen Kurs einschlägt, wird das Bundesheer in einigen Jahren ein anderes sein. Es sollte dann zumindest eine Chance haben, die Souveränität des Landes zu verteidigen. Diesen Teil der Neutralität, die Stacheln, hatten Bundesregierungen gerne vergessen. Sie waren damit in guter Gesellschaft. Überall in Europa gingen die Rüstungsausgaben zurück. Alle Länder freuten sich über die Friedensdividende. Dass der Wehrigel nun auch Raketen abschießen soll, ist die Fortführung der Trendumkehr. Wer es mit Sicherheit ernst meint, muss die Luft mitdenken. Aber wie neutral ist der Igel dann noch, wenn er mit anderen zusammenarbeitet? Politisch und weltanschaulich gleichgültig war das Tier mit den (stumpfen?) Stacheln nie. Und die militärische Neutralität heißt, keine Stationierung fremder Truppen zuzulassen, keine Kriegspartei militärisch zu unterstützen, keinem Bündnis beizutreten und keinen fremden Oberbefehl zu akzeptieren. Nach allem, was bekannt ist, widerspricht Sky Shield dem nicht. Im Gegenteil: Nach dem Vorbild der Schweiz heißt militärische Neutralität, sich selbst schützen zu können – auch in der Luft. Sky Shield soll helfen, dass Kosten und Aufwand für Beschaffung und Betrieb dieser Luftabwehr nicht aus dem Ruder laufen. Auf den Abschussknopf drücken muss trotzdem jemand in Österreich. Viel spannender wäre aber ohnehin eine andere Debatte: Wozu brauchen wir die Neutralität noch? Österreich pflegt internationale Zusammenarbeit. Gleichzeitig muss die Regierung nach außen immer wieder Vorbehalte anmelden und nach innen argumentieren und diskutieren. Bis sich eine Regierung über diese Debatte drübertraut, wird es aber dauern.
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