TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 17. Dezember 2018 von Gabriele Starck „Klimaschutz ist bereits soziales Thema“

Innsbruck (OTS) – Das Regelbuch von Kattowitz soll den Klimaschutz voranbringen. Nur ist es momentan nicht besonders angesagt. Regeln einzuhalten. Notwendig wären zudem Systemumbrüche, die über Umweltmaßnahmen weit hinausgehen. Es gibt allen Grund, pessimistisch zu sein. Nicht des mageren Ergebnisses der Klimakonferenz in Kattowitz selbst wegen. Denn diese zwei Wochen plus 1,5 Tage Beratungen, Diskussionen, Blockaden und Kompromisse können der menschgemachten Erderwärmung ohnehin nicht Einhalt gebieten. Vielmehr ist entscheidend, was sich davor, währenddessen und danach draußen in der Welt selbst tut. Ein 133 Seiten dickes Regelbuch, in dem drei Jahre nach Paris erst im Groben und mit vielen Auslassungen niedergeschrieben wurde, wie das Klimaschutzabkommen praktisch umzusetzen ist, macht da wenig Hoffnung. Es ist richtig und notwendig, dass die Klimaschutz-Maßnahmen der Staaten untereinander vergleichbar und damit nachvollziehbar werden sollen. Und es ist gut gemeint, wenn darauf gehofft wird, dass sich die Industriestaaten damit gegenseitig unter Druck setzen und zu mehr Ehrgeiz anstacheln können. Nur wird das nicht passieren. Momentan ist es in der Politik weltweit nicht en vogue, sich an Regeln oder Vereinbarungen zu halten. US-Präsident Donald Trump macht es immer wieder vor, und nicht wenige tun es ihm schon gleich. Und Sanktionen drohen ohnehin nicht. Zum anderen reichen vordergründige Klimaschutz-Bausteine allein nicht mehr aus, um die Überhitzung der Erde abzuwenden. Es bedarf großer Umbrüche, die weit über Umweltmaßnahmen hinausgehen. Das haben die Proteste der Gelbwes­ten in Frankreich deutlich gemacht. Die Pläne für eine höhere Besteuerung von Benzin und Diesel haben dort das Fass zum Überlaufen gebracht. Klimaschutz ist bereits ein soziales Thema. Viele Bürger sind gar nicht mehr imstande, diesen über zusätzliche Steuern auch noch zu finanzieren. Die Regierungen müssen beim System ansetzen. Sie müssen Bedingungen schaffen, die es den Bürgern ermöglichen, klimaneutral zu agieren – etwa nicht mehr auf den Pkw angewiesen zu sein. Die Regierungen sind gefordert, die Wirtschaft schnellstmöglich dabei zu unterstützen, aus der CO2-Industrie auszusteigen und auf neue Wege zu setzen. Nur so können auch Arbeitsplätze geschaffen und langfristig erhalten werden. Das Subventions- und Förderwesen muss von Grund auf neu gedacht werden. Weg von der Abwrackprämie hin zu Inves­titionen, die fossile Energie überflüssig machen. Dazu müsste die Politik allerdings der Industrie und Wirtschaft gegenüber sehr viel deutlicher werden.

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